© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/14 / 29. August 2014

Sturm der Entrüstung
Einwanderung: Mit seinem Vorschlag, Flüchtlinge zu Hause aufzunehmen, hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt für heftige Reaktionen gesorgt
Felix Krautkrämer

Martin Patzelt steht zu seinem Vorschlag – trotz heftiger Kritik. Die zunehmenden Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern bereiten dem Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordneten große Sorge. Als er vergangene Woche in einer Meldung las, daß die Stadt Duisburg mangels anderer Unterkünfte nun für 150 Asylbewerber ein Zeltlager errichten mußte (siehe Meldung auf dieser Seite), war für ihn das Maß voll. In einer Pressemitteilung appellierte er an die Deutschen, Bürgerkriegsflüchtlinge bei sich zu Hause aufzunehmen. Nach seinen Erfahrungen verfügten viele Bürger über ausreichend privaten Wohnraum und die „materiellen Voraussetzungen“, die Flüchtlinge bei sich zu beherbergen. Die Deutschen seien es zwar gewohnt, daß sich staatliche Stellen und Wohlfahrtsverbände um die Menschen kümmerten, die Schutz und Hilfe in der Bundesrepublik suchten, doch auch hier gebe es Grenzen.

Wut und Empörung in sozialen Netzwerken

„Deshalb rufe ich die Menschen in unserem Land auf, über eine zeitnahe Aufnahme von Flüchtlingen, insbesondere von Müttern mit Kleinkindern, in ihren eigenen Häusern oder Wohnungen nachzudenken“, schrieb Patzelt. Dies sei mental vermutlich eine Herausforderung, biete aber auch Chancen für neue Erfahrungen, war sich der Sozialpädagoge und frühere Oberbürgermeister von Frankfurt an der Oder gewiß.

Was folgte, war ein Sturm der Entrüstung in den sozialen Netzwerken. Auf seiner Facebook-Seite und im Gästebuch seiner Internetseite machten zahlreiche Kommentatoren ihrer Wut und Empörung über den Vorstoß Luft – und das nicht gerade freundlich. Doch davon ließ sich Patzelt nicht beirren: „Ich denke, daß Menschen, die die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen in Deutschland befürworten, auch die Möglichkeit haben sollten, einen persönlichen Beitrag zur Finanzierung und logistischen Unterstützung zu leisten, soweit sie dies auf dem Hintergrund ihrer persönlichen Verhältnisse und Wahrung ihrer persönlichen Freiheit möchten. Ich selber wollte in konkreten Fällen solche Hilfe geben und scheiterte an den dafür fehlenden Verwaltungsvorschriften“, verteidigte sich der fünffache Familienvater gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.

Die entsprechenden Regelungen sollten dahingehend ergänzt werden, daß durch eine Vereinbarung mit der Ausländerbehörde die Möglichkeit bestände, Bürgerkriegsflüchtlinge bei sich zu Hause aufzunehmen. Allerdings mit einer Einschränkung: „Die Verantwortung für den Status und die Finanzierung von Lebensunterhalt und erforderlichen Krankheitsbehandlungen verbleiben bei der Behörde, die private Unterkunft wird gestellt und finanziert durch Privatpersonen.“

Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, geht der 67jährige mit eigenem Beispiel voran. Erst kürzlich hat er zwei Mütter mit ihren Kindern, die zuvor mit zahlreichen illegalen Einwanderern auf dem Berliner Oranienplatz in Zelten hausten, bei sich aufgenommen. Zwar sei auch er grundsätzlich gegen die private Unterbringung illegaler Flüchtlinge. Die Entscheidung, die Frauen und Kleinkinder im Haus seiner Familie wohnen zu lassen, sei aber wegen „einer aktuellen, aus unserer Sicht für die Kinder untragbaren Situation“ erfolgt, begründete der CDU-Politiker den Schritt.

Die teils heftigen Reaktionen auf seinen Vorschlag stören ihn dabei nicht, sagt Patzelt, zumal er auch Zustimmung erhalten habe. „Ich nehme diese Reaktionen als Ausdruck der Vielfalt und des Mitdenkens in unserer Gesellschaft und, soweit sie einer Grundvoraussetzung an Anstand und Würde entsprechen, ernst.“

In der Brandenburger CDU ist man von Patzelts Vorschlag dagegen wenig begeistert. Es ist Wahlkampf und Themen, die die Wähler bewegen, sind unter anderem die wachsende Grenzkriminalität sowie die auch in der Mark steigenden Asylbewerberzahlen.

„Deutsche haben große Solidarität gezeigt“

Daher bemüht sich die dortige Union, dem Eindruck entgegenzutreten, Patzelt spräche hier für die Partei. „Der Vorschlag ist sicherlich gut gemeint, aber weltfremd“, distanzierte sich Fraktions-Vize Dieter Dombrowski gegenüber der JF von dem Vorstoß. „Wenn Herr Patzelt Flüchtlinge bei sich aufnehmen will, kann er das gerne tun. Aber das liegt dann in seiner Verantwortung.“ Die Bürger dürften nicht das Gefühl bekommen, daß dies auch von ihnen verlangt werde. „Die Deutschen haben bisher große Anteilnahme und Solidarität mit verfolgten Menschen gezeigt. Wenn Bürger sich darüber hinaus persönlich einbringen wollen, können sie das tun. Dieses jedoch quasi von ihnen zu fordern, ist eher geeignet, das Gegenteil zu bewirken, weil der Eindruck entsteht, daß die Bürger verpflichtet wären“, warnte Dombrowski, der auch Menschenrechtsbeauftragter der CDU Brandenburg ist. Die Bundesregierung habe im internationalen Vergleich effektiv auf aktuelle Krisen reagiert und beispielsweise mehr als 60.000 Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien in Deutschland Schutz geboten. Deren menschenwürdige Unterbringung und Betreuung sowie die aller schutzsuchenden Flüchtlinge sei und bleibe zuallererst eine staatliche Aufgabe.

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