© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/14 / 29. August 2014

„Auch viel Positives“
Bundeswehr: Eine Studie untersucht die Auswirkungen eines Einsatzes in Afghanistan auf deutsche Soldaten
Lion Edler

Es war eine der ersten Amtshandlungen von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU): die Forderung nach einer verbesserten „Vereinbarkeit von Dienst und Familie“ (JF 4/14). Die Ministerin trat für einen Ausbau von Kinderbetreuung in Kasernen ein und regte an, „Dienst- und Familienzeiten besser aufeinander abzustimmen“.

Eine nun veröffentlichte Studie des Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr scheint ähnliche Prioritäten suggerieren zu wollen – Titel: „Der Einsatz, die Liebe, der Dienst und die Familie: Ausgewählte Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Langzeitbegleitung des 22. Kontingents Isaf“. Die Studie basiert auf einer 2012 bis 2013 durchgeführten Folgebefragung von Soldaten, deren Rückkehr vom Einsatz in Afghanistan bereits mehr als zwei Jahre zurückliegt. Diese Aussagen wurden dann mit denen von Soldaten verglichen, die zum Zeitpunkt der Rückkehr befragt wurden.

Bei der Folgebefragung konnten die Forscher auf 849 Fragebögen zurückgreifen, was einer Rücklaufquote von 21 Prozent entspricht.

Viele klagen über die Bürokratie

Die am häufigsten empfundene Belastung nach der Rückkehr war demnach die „Bürokratie im Dienstalltag“ (50 Prozent der Befragten bei der Rückkehr, 43 Prozent bei der Folgebefragung), gefolgt von der „berufsbedingten Abwesenheit von der Familie“ (41 zu 37 Prozent), „zuwenig Zeit für die Familie“ (36 zu 30 Prozent) und „zuwenig Zeit für Freunde“ (28 zu 23 Prozent). Eine eher geringe Rolle spielten hingegen die Probleme „keine Akzeptanz“ (13 zu elf Prozent), psychische Beeinträchtigungen (14 zu acht Prozent) und körperliche Erkrankungen (acht zu sieben Prozent). Die Befragten zeigten sich überwiegend zufrieden mit der Unterstützung durch Verwandte oder Freunde (63 Prozent) und durch Kameraden (58 Prozent).

Viele Befragte hätten sich „mehr gemeinsame Zeit zur Eingewöhnung bzw. die Vermeidung einer neuerlichen zum Teil wochenlangen Trennung von der Partnerin/dem Partner oder der Familie“ gewünscht, heißt es in der Studie. Eine entsprechende offene Frage nach den familiären Wünschen sei häufig mit dem Satz „Mehr Zeit“ beantwortet worden. Die „Work-Life-Balance“ (Balance zwischen Arbeit und Privatleben) sei bei der Mehrzahl der Befragten „nicht ausgeglichen“, denn der Dienst überwiege im Verhältnis zum Privat- und Familienleben. Dieses Ungleichgewicht werde jedoch „nur von einem Teil der Befragten auch als belastend für die Vereinbarkeit von Familie und Dienst wahrgenommen“. Außerdem stellte die Studie die Frage, welche Angebote sich die Einsatzrückkehrer für sich und ihre Familien von der Bundeswehr wünschen. Mit Abstand an erster Stelle wurde hier eine „Kur oder Urlaub mit Familie“ genannt (41 Prozent), gefolgt von „Seminare und Beratung für Familie“ (17 Prozent) und „Seminare und Zusammenkünfte mit Kameraden“ (sieben Prozent).

Eine Passage der Studie, die sich den Auswirkungen des Einsatzes auf die eigene Person widmet, kommt zu erstaunlich positiven Ergebnissen. Demnach stimmten 65 Prozent der Soldaten der Aussage zu, sie hätten sich in ihr altes Leben „schnell eingefunden“ (weitere 22 Prozent „teils, teils“; 13 Prozent stimmten nicht zu). 68 Prozent gaben an, selbstbewußter geworden zu sein (19 Prozent „teils, teils“; 14 Prozent nicht zustimmend). 56 Prozent der Soldaten erklärten, sie wüßten nunmehr „das Leben mehr zu schätzen“. Die Schlußfolgerung der Studie ist daher eindeutig: Die „Soldatinnen und Soldaten“, wie stets formuliert wird, kämen zwei Jahre nach der Rückkehr „mit den Beanspruchungen des Einsatzes überwiegend gut zurecht“; mit dem Einsatz im 22. Kontingent werde „auch viel Positives verbunden“.

Diesen Befund steht in einem gewissen Widerspruch zu einer Umfrage von 2012, als der Bundeswehrverband 1.800 Kommandeure, Kompaniechefs und Kompaniefeldwebel befragte. Nach dieser Umfrage gaben 63,6 Prozent der Führungskräfte an, daß sie ihren Kindern und nahen Bekannten vom Dienst in der Truppe abraten würden.

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