© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/14 / 29. August 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Alles ist möglich
Christian Schreiber

Im politischen Berlin ist mal wieder Zeit für eine Grundsatzdiskussion. Soll die Bundesrepublik Waffen in den Irak liefern, um dort die Kurden im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu unterstützen? Und soll Deutschland sogar Soldaten in das Krisengebiet entsenden?

Zumindest die erste Frage wurde in der vergangenen Woche mit einem eindeutigen Ja geregelt. Am Mittwoch hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD), Finanzminister Wolfgang Schäuble und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) die Entscheidung für eine Waffenlieferung getroffen. Der Bundestag wird am 1. September darüber debattieren, aber letztlich wurde die Entscheidung bereits im kleinen Kreis getroffen.

Die Diskussion verläuft nicht ohne Emotionen. Auslandseinsätze der Bundeswehr sind immer noch umstritten und Wirtschaftsminister Gabriel hatte Waffenexporte unlängst noch als „Geschäfte mit dem Tod“ verunglimpft. Kein Wunder, daß sich sein Parteifreund und Stellvertreter im Parteivorsitz, Ralph Stegner, fragte, „warum man unbedingt dabei sein muß, wenn Barack Obama den Fehler ausbügelt, den sein Vorgänger George W. Bush begangen hat.“ Die Verteidigungsministerin fand diesen Einwand „zynisch“ und stellte die Frage, „ob die Konsequenz daraus sein kann, daß man zusieht, wie Menschen abgeschlachtet werden?“

Eine eigenständige Außenpolitik sieht anders aus, urteilten Kritiker. Entsprechend skurril mutet der eine oder andere Debattenbeitrag an. CDU-Außenexperte Philipp Mißfelder warnte bereits davor, Waffen-Schrott in den Irak zu senden. Als verläßlicher Partner müsse man modernes, funktionsfähiges Gerät liefern. „Ich glaube auch nicht, daß daran gedacht wird, die Region als Schrottplatz für unbrauchbares und altes Material der Bundeswehr zu nutzen“, sagte Mißfelder der Passauer Neuen Presse.

Klärungsbedarf besteht allerdings noch bei der zweiten Frage. Wie hält es Berlin mit der Entsendung von Soldaten in den Irak? Die Kanzlerin macht das, was sie gerne tut. Sie zeigte sich zuerst zurückhaltend, dann wortkarg und schließlich unverbindlich. Ausschließen könne man generell gar nichts. Drunter und drüber geht es fast schon standesgemäß bei diesem Thema bei den Grünen. Aber immerhin zivilisierter als noch vor mehr als einem Jahrzehnt, als der ehemalige Ober-Pazifist Joschka Fischer als Außenminister Auslandseinsätze der Bundeswehr befürwortete und während eines Parteitags dafür einen Farbbeutel am Kopf einkassieren mußte. Parteichef Cem Özdemir ist für Waffenlieferungen, Polit-Frühpensionär Jürgen Trittin ist dagegen. Und der grüne Außenpolitiker Omid Nouripour brach gänzlich mit einem pazifistischen Tabu. Er hält den Einsatz von deutschen Soldaten „für notwendig“ und fordert gar den Einsatz der Luftwaffe, „um die amerikanischen Streitkräfte zu unterstützen“. Wenig später ruderte er aber zurück. Darüber müsse man noch mal diskutieren.

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