© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/14 / 29. August 2014

Edle Federn
Luxus made in Germany: Deutschlands hochwertigste Schreibgeräte kommen aus kleinen Manufakturen in der Provinz
Michael Brückner

Vor 15 Jahren machten Raubgräber in einer Steinkammer auf dem Gipfel des 252 Meter hohen Mittelbergs unweit der Stadt Nebra in Sachsen-Anhalt einen sensationellen Fund: Sie entdeckten eine fast kreisrunde Platte aus Bronze mit goldenen Applikationen, die den Mond, die Sonne und einen abstrakten Sternenhimmel darstellten. Zwischen 3.700 und 4.100 Jahre soll diese Himmelsscheibe alt sein. Inzwischen gilt sie als einer der bedeutendsten archäologischen Funde des 20. Jahrhunderts.

Achim Velte verfolgte diese Geschichte mit großer Aufmerksamkeit. „Mich hat das damals absolut fasziniert“, erinnert sich der Schreibgeräte-Entwickler und Kleinunternehmer aus der Nähe von Pforzheim. Er erwies dieser archäologischen Sensation auf ganz eigene Weise Reverenz: Velte entwickelte eine hochwertige Füllfederhalter-Kollektion.

„Es ist nicht cool, eine große Marke zu sein.“

Auf der Kappe dieses ausgefallenen Schreibgeräts ist ein Logoemblem aufgebracht, das nach der Vorlage der Himmelsscheibe gefertigt wird. Der Zierring darunter trägt den Schriftzug „Himmelsscheibe von Nebra“. Die Teile läßt Achim Velte aus einer speziellen Messing-Bronze-Legierung herstellen, anschließend bronzieren oder patinieren und dann teilpolieren.

Velte, der zunächst als Produktentwickler für Kunden wie Montblanc, Lamy, Porsche und den New Yorker Top-Juwelier Tiffany & Co. tätig war, faßte mitten in der Finanzkrise nach der Lehman-Pleite den Entschluß, seinen Traum von der eigenen Kollektion wahr zu machen. Weil er für seine Kunden vorübergehend weniger zu tun hatte, entwickelte und fertigte er Füllfederhalter, Drehkugelschreiber, Drehbleistifte und Tintenroller: „Im Jahr 2011 ging ich damit an den Markt – und war von der guten Nachfrage echt überrascht. Über das Internet und die sozialen Netzwerke erreichte ich schnell eine große Zahl von Liebhabern hochwertiger Schreibgeräte“, freut sich Velte. Zusammen mit anderen kleinen und mittelständischen Herstellern in Deutschland gilt Achim Velte heute unter den vielen Schreibgeräte-Aficionados als Geheimtip. Die führenden Marken wie Montblanc, Pelikan und Faber Castell sind weithin bekannt und feste Bestandteile der meisten Sammlungen.

Doch gerade die Nischenmarken bergen für Liebhaber außergewöhnlicher Schreibgeräte offenbar einen besonderen Reiz. Sie stimmen John Flynn, dem Chef der britischen Kultmarke Fred Perry, zu, der einmal feststellte: „Wir sind erfolgreich, weil wir in einer seltsamen Art und Weise daran glauben, daß klein in Wahrheit groß ist. Es ist nicht cool, eine große Marke zu sein. Klein zu sein, das ist cool.“ Während Achim Velte zu den Nischenmarken gehört, reüssieren die Schreibgeräte der Manufaktur Cleo in Bad Wilsnack im Nordwesten von Brandenburg bereits auf vielen ausländischen Märkten. „Handmade in Germany kommt im Ausland sehr gut an“, weiß Geschäftsführerin Anja Weber.

Nach dem Zweiten Weltkrieg von einem Berliner gegründet, fertigte das junge Unternehmen in einer Hinterhofgarage zunächst Metallteile zur Schreibgeräteherstellung. Zu DDR-Zeiten belieferte der „volkseigene“ Betrieb den gesamten Ostblock mit Tuschezeichengeräten der Marke Skribent. Mitunter verließen pro Jahr eine Million dieser Zeichengeräte das Werk in Bad Wilsnack. Anfang der 1990er Jahre nahmen Wolfgang Weiß und Peter Winter, zwei ehemalige Mitarbeiter, ihren unternehmerischen Mut zusammen und privatisierten den Betrieb, der sich schnell einen Namen als Federveredeler machte. Handgelackte Federn gehören zu den Spezialitäten des Hauses.

Im Jahr 1999 fiel dann die Entscheidung, fortan wieder eigene Schreibgeräte zu produzieren. Als erste Serie kamen Füllfederhalter, Drehbleistifte und Roller­balls unter dem Namen Cleo Skribent auf den Markt. Der Füllfederhalter Natura, ein Flaggschiffe der Kollektion, besteht aus Holz, das – ähnlich wie bei der Konservierung von Schiffswracks – mit einer Wachslösung berieselt wird. Dadurch wird das Holz widerstandsfähig gegen Feuchtigkeit, Hitze, Kälte und biologische Prozesse.

Auf ein ganz anderes Material setzt Stefan Schnirch, Chef des Traditionsunternehmens Waldmann KG nahe Pforzheim. In seinem Betrieb fertigen rund zwanzig Mitarbeiter Füllfederhalter, Kugelschreiber, Tintenroller und Bleistifte aus massivem Sterlingsilber. Kein Wunder, daß Schnirch die stark schwankenden Silberpreise genau im Blick behält. Immerhin verarbeitet Waldmann Jahr für Jahr etwa eine Tonne Silber.

Tony Blairs Lieblingsfeder stammt aus Pforzheim

Neben den gängigen Modellen zu Preisen zwischen 60 und 500 Euro bringt Waldmann hin und wieder auch limitierte Stücke heraus, die preislich im vierstelligen Bereich angesiedelt sind. Stefan Schnirch präsentiert stolz eine Box mit markantem Schriftzug: Es ist die Signatur des früheren britischen Premiers Tony Blair. Der einstige Hausherr in Downing Street No. 10 vertraute offenbar auf Qualität „Made in Germany“ und verschenkte diese individuellen Füllfederhalter an gute Freunde und Gäste.

Luftschiffpionier Ferdinand Graf von Zeppelin hingegen vertraute auf Federhalter von Kaweco. Diese mittlerweile in Nürnberg ansässige Marke blickt auf eine lange und wechselvolle Geschichte mit Höhenflügen und jähen Abstürzen zurück. Daß Schreibgeräte von Kaweco bis heute im In- und Ausland geschätzt werden, ist das Verdienst des Unternehmers und Sammlers Michael Gutberlet. Er bescherte der bankrotten Marke ab 1994 eine vielbeachtete Renaissance.

Eine Art Ankerfunktion in der Kaweco-Kollektion kommt der „Sport“-Serie zu. Die kleinen, sechseckigen Schreibgeräte weisen heute noch das gleiche Design auf wie im Jahr 1911, als die ersten Modelle dieser Reihe verkauft wurden – „an Damen, Offiziere und Sportleute“, wie es damals hieß. Der diskrete Charme der Nostalgie kommt an: Schreiben wie zu Zeppelins Zeiten scheint sogar für die „Generation E-Mail“ reizvoll zu sein.

Bild: Von der Idee bis zum Produkt – alles Handarbeit: Die Waldmann KG produziert formvollendete Füllfederhalter aus Sterlingsilber