© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/14 / 05. September 2014

Tiefschlag kurz vor Mitternacht
Sachsen: Nach ihrem knappen Scheitern steht die NPD mit dem Rücken zur Wand
Felix Krautkrämer

Den ganzen Wahlabend über hatte die NPD gebangt und gehofft. Prognosen und Hochrechnungen sahen die Partei bei fünf Prozent und damit vor ihrem zweiten Wiedereinzug in den sächsischen Landtag. Doch eine gute halbe Stunde vor Mitternacht wendete sich das Blatt. Die NPD sackte auf 4,95 Prozent ab und verpaßte um 808 Stimmen den Sprung ins Parlament. Eine Katastrophe für die Partei, die vor zehn Jahren erstmals nach der Wiedervereinigung mit 9,2 Prozent in einen Landtag eingezogen war und der 2009 der Wiedereinzug mit 5,6 Prozent geglückt war.

Auch deswegen galt Sachsen seit Jahren als das Machtzentrum der Partei. Doch vor allem das schlechte Abschneiden in den einwohnerstarken Städten wie Dresden, Leipzig und Chemnitz, wo die NPD unter fünf Prozent blieb, hatte am Sonntag fatale Konsequenzen für die Partei. In anderen Regionen erzielte die NPD dagegen zweistellige Ergebnisse.

Der Verlust der wichtigen Landtagsfraktion ist für die ganze Partei ein schwerer Schlag. Der erhoffte Rückenwind für die Wahlen in Brandenburg und Thüringen in gut einer Woche fiel damit aus, auch wenn sich die Partei vor allem in Thüringen noch Hoffnung auf den Einzug in den Landtag macht. Bei der Wahl vor fünf Jahren kam die NPD hier auf 4,3 Prozent. Sollte sie scheitern, verfügt die NPD fortan nur noch über eine Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern sowie einen Sitz im Europaparlament.

Fraktionsgelder, Diäten, festangestellte Parteimitglieder, Kommunikationsstrukturen, all das fällt nach der Niederlage in Sachsen nun weg. So waren beispielsweise Peter Schreiber, der als Chefredakteur auch das Parteiorgan Deutsche Stimme verantwortet, sowie Jörg Hähnel, der sich um die Werbung der Partei und deren Auftritt in den neuen Medien kümmert, bei der sächsischen Landtagsfraktion angestellt. Schwer vorzustellen, wie die finanziell angeschlagene Partei das auffangen will. Zumal die Bundestagsverwaltung Zahlungen aus der staatlichen Parteienfinanzierung auf Eis gelegt hat. Ein Großteil der Angestellten in der Berliner Bundeszentrale mußte deswegen entlassen werden. Auch ist die Führungsfrage in der NPD seit dem unrühmlichen Abgang ihres Bundesvorsitzenden Holger Apfel (JF 3/14) nach wie vor ungelöst. Zwar hat dessen Stellvertreter Udo Pastörs nach Apfels Rücktritt die Partei übernommen, doch ist es fraglich, ob sich der Schweriner Fraktionschef weiterhin die Führung der sich in Flügelkämpfen beharkenden NPD antun will.

Udo Voigt könnte an die Spitze zurückkehren

Möglich ist, daß Apfels Vorgänger, der EU-Abgeordnete Udo Voigt, im Herbst nochmals für das Amt des Parteivorsitzenden kandidiert. Ein Neuanfang dürfte mit ihm aber nicht zu erwarten sein. Und als wären das nicht schon genug Probleme, schwebt über der NPD noch das drohende Verbot durch das Bundesverfassungsgericht. Die Vorbereitung auf das Verbotsverfahren bindet zusätzlich erhebliche finanzielle Mittel und Personal, was beides anderswo dringend gebraucht wird.

Das Scheitern an der Fünfprozenthürde in Sachsen könnte aber auch Einfluß auf den künftigen Kurs der NPD haben. In der Parteiführung gibt es Kritik, der sächsische Wahlkampf sei „zu weich“ gewesen. Die NPD müsse sich stärker von den etablierten Parteien unterscheiden – auch von der Alternative für Deutschland (AfD), sagte ein Vorstandsmitglied der JUNGEN FREIHEIT.

13.000 Wähler verlor die NPD in Sachsen an die AfD, eine immer noch überschaubare Größe, dennoch waren es am Ende eben auch diese Stimmen, die für den Wiedereinzug fehlten. Entsprechend groß war die Wut der NPD auf die Euro-Kritiker. Daß Tausende frühere NPD-Wähler nicht zur Urne gegangen seien oder „für die AfD als Wurmfortsatz der Altparteien gestimmt“ hätten, werde sich in Sachsen noch bitter rächen, zürnte die Partei in einer Stellungnahme auf Facebook. Ohne die NPD im Landtag würde der Freistaat nun endgültig zur „Einwanderungszone für jedermann gemacht“.

Die Kritik am eigenen Wahlkampf wollte Sachsens NPD-Chef Holger Szymanski nicht gelten lassen. Diese stamme vermutlich von den Mitgliedern, „die selbst zum teilweise negativen Auftreten der NPD in der Öffentlichkeit auch in den letzten Jahren beigetragen haben“, teilte er auf Anfrage der JF mit. Vielmehr habe die NPD unter dem „Medienboykott“, insbesondere der sächsischen Tagespresse gelitten. Über die parlamentarische Arbeit der NPD in den vergangenen Jahren sei so gut wie nicht berichtet worden, beklagte er. Außerdem sei die NPD in Sachsen durch „sogenannte zivilgesellschaftliche Vereine“ bekämpft worden, die mit Millionensummen gefördert wurden. Hinzu komme, daß sich die AfD als „frische, unverbrauchte Kraft“ habe präsentieren können. Dies sei der NPD nach zehn Jahren im Landtag nicht mehr möglich gewesen. Ein zu aggressives Auftreten der NPD in der Vergangenheit habe zudem einen Teil der früheren Wählerschaft verschreckt und erst zur FDP und nun zur AfD abwandern lassen. Der NPD sei es nicht gelungen, das vorhandene konservative Wählerpotential rechts der Union auszuschöpfen.

Die NPD prüft laut Szymanski Hinweise auf mögliche Wahlmanipulationen, um eine Neuauszählung der Stimmen zu erzwingen. Zur Frage nach den Erfolgsaussichten oder ob der NPD konkrete Fälle bekannt seien, äußerte sich Szymanski nicht. Die Prüfung dauere noch an und er wolle „keine bloßen Verschwörungstheorien verbreiten“.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen