© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/14 / 05. September 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Sylvia Canel ist dann mal weg
Marcus Schmidt

Für die FDP kommt es derzeit knüppeldicke. Als die Partei am Montag im Thomas-Dehler-Haus in der Berliner Reinhardtstraße gerade dabei war, den Verlust der letzten Regierungsbeteiligung auf Landesebene zu verarbeiten, nachdem die sächsischen Liberalen unter Holger Zastrow tags zuvor deutlich an der Fünfprozenthürde gescheitert waren, schlug die nächste Bombe ein.

Die Hamburger Landesvorsitzende Sylvia Canel kündigte ihren Rücktritt an und trat gleichzeitig aus der Partei aus. In einer von Canel auf Facebook veröffentlichten Erklärung geht die frühere Bundestagsabgeordnete mit ihrer ehemaligen Partei scharf ins Gericht. Der derzeitigen Führung unter Christian Lindner hielt sie vor, der sich durch das Aus in Dresden nochmals verschärften Krise der Partei nicht gewachsen zu sein.„Selbst nach der Sachsen-Wahl am Sonntag, in der ein glaubwürdiger Kandidat mit seinen Ideen für die Fortsetzung erfolgreicher Politik kämpfte, versteht die Parteiführung das eigene Versagen als lediglich vorübergehenden Trend“, kritisierte Canel. Es bestehe aber ein Glaubwürdigkeitsproblem mangels fehlender politischer Selbsterkenntnis und kein Zeitproblem.

Die 56jährige war schon in ihrer Zeit als Bundestagsabgeordnete zwischen 2009 und 2013 mehrfach mit der Parteispitze aneinandergeraten. Im Parlament gehörte sie zu der kleinen Gruppe von FDP-Abgeordneten, die sich vehement gegen die Euro-Rettungspolitik der schwarz-gelben Koalition aussprachen. Wie ihre Mitstreiter wurde sie von der Fraktionsführung massiv unter Druck gesetzt. Eine Erfahrung, die den Grundstein für ihre jetzige Entscheidung gelegt hat. „Das in Artikel 38 Grundgesetz verankerte Freie Mandat empfand ich als durchweg ausgehöhlt durch eine von oben herab verordnete Fraktionsdisziplin, die wichtige Debatten und Erkenntnisse verhinderte“, schreibt Canel in ihrer Austrittserklärung. „Zu den weniger guten Erfahrungen zähle ich, daß ich die Toleranz und Meinungsfreiheit innerhalb der FDP überschätzt habe.“ Das Einschlagen eines eigenständigen Kurses in der FDP-Bundestagsfraktion sei schwer gewesen.

„Ich möchte wieder frei sein und für eine bodenständige liberale Politik ungehindert arbeiten können. Deshalb ist es Zeit, die Arbeit dafür an anderer Stelle fortzusetzen“, kündigte Canel an.

Vor diesem Hintergrund kam der Schritt der Hamburger FDP-Chefin nicht für alle in der Partei überraschend. Am Wochenende war bekanntgeworden, daß 35 ehemalige Liberale die Gründung einer neuen Partei planen. Bereits Ende September soll der Gründungsparteitag stattfinden. Auffällig: Mit Najib Karim und Dieter Biallas beteiligen sich zwei hochrangige Ex-Funktionäre der Hamburger FDP an den Plänen zur Neugründung. Karim war stellvertretender Parteichef, Biallas sogar zweiter Bürgermeister der Hansestadt. Beide wurden dem sozialliberalen Flügel der FDP zugerechnet. „Wir sehen, unabhängig vom Wahlergebnis in Sachsen, unser Verständnis von Liberalismus in der Partei nicht vertreten“, sagte Karim der Welt.

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