© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/14 / 05. September 2014

„Natürlich gibt es Konflikte“
Reportage: Die Münchner Bayernkaserne entwickelt sich zu einem Brennpunkt der Flüchtlingswelle
Hinrich Rohbohm

Der Wachmann am Eingangstor der Münchner Bayernkaserne wirkt entschlossen. „Sie können hier nicht so ohne weiteres rein“. Hier, wo einst Soldaten Dienst taten, sind heute rund 2.000 Asylbewerber untergebracht. Tendenz steigend.

Auf den Kasernenstraßen herrscht reges Treiben. Hunderte junger Schwarzafrikaner stehen in Gruppen zusammen, unterhalten sich. Einige spielen Fußball, andere an ihren Mobiltelefonen. Letztere scheint nahezu jeder von ihnen zu besitzen. Auch Smartphones sind keine Seltenheit. Die Unterkünfte sind in einem verhältnismäßig guten Zustand, die Zimmer sind nach wie vor wie die einstigen Mannschaftsstuben der Soldaten eingerichtet. Sechs Betten pro Zimmer, doppelstöckig, daneben die Spinde.

Doch während zu Militärzeiten die Betten peinlich genau gefaltet und mit einer Wolldecke überzogen waren, hängt die Bettwäsche nun über den Bettgestellen, liegen Kissen und Bekleidung vereinzelt auf dem Boden herum. Viel Zeit zum Umsehen bleibt nicht. Ein Mitarbeiter vom Sozialreferat nähert sich mit skeptischem Blick. Der Aufenthalt von Gästen in den Unterkünften sei nicht erwünscht, sagt er. „Wir haben da schlechte Erfahrungen gemacht. Rechtsradikale sind hier schon mal eingedrungen und hatten Fotos von den Unterkünften machen wollen.“ Kameras seien daher unerwünscht und ein Einlaß in die Kaserne werde ohne konkrete Begründung abgewiesen.

Der Vorwand, einer Initiative anzugehören, die den Flüchtlingen materielle Hilfe zukommen lassen will, wirkt dagegen. „Endlich mal jemand, der auf der Seite der Flüchtlingsbefürworter steht“, freut sich eine Mitarbeiterin der auf dem Gelände ansässigen Diakonie. Angesichts der rasant steigenden Asylbewerberzahl in der Bayernkaserne und zunehmender Konflikte mit Anwohnern ist sie besorgt. „Da braut sich eine äußerst ungute Stimmung gegen uns zusammen“, fürchtet sie. Eine Stimmung, von der ihr Kollege vom Sozialreferat nichts mitbekommen haben will, hier gebe es keine Probleme. Nicht innerhalb der Anlage und auch nicht mit den Anwohnern, behauptet er. „Doch, gibt es“, widerspricht die Diakonie-Mitarbeiterin und berichtet von Beschwerden aus der Nachbarschaft. Das seien zwar Einzelfälle, würden aber natürlich zu einer angespannten Situation beitragen. „Na ja, Probleme gibt es ja nun irgendwie überall“, relativiert nun der Mann vom Sozialreferat, der eng mit der Lobby-Organisation Pro Asyl kooperiert, wie er sagt.

„Betten haben wir noch genug für alle, aber wir brauchen vor allem neue Kleidung und Leute, die Asylbewerber bei Behördengängen begleiten.“ Dies sei notwendig, da es bei vielen noch mit der deutschen Sprache Schwierigkeiten gebe und sich die meisten in der Stadt nicht auskennen würden. „Die beste Hilfe aber wäre, selbst Flüchtlinge bei sich zu Hause aufzunehmen.“ Auf die Frage, ob sich dahingehend schon jemand angeboten habe, verneint die Frau. Auch die Pro Asyl-Aktivisten seien dazu nicht bereit. „Das Ganze wäre schließlich auch mit gesundheitlichen Risiken verbunden“, ergänzt der Mann vom Sozialreferat. Oftmals seien die Asylbewerber nicht auf Krankheiten hin untersucht worden, die sie aus ihren Herkunftsländern möglicherweise mitgebracht haben könnten.

In der unmittelbaren Nachbarschaft zur Bayernkaserne hält sich die private Aufnahmebereitschaft, wie sie jüngst auch von der Politik gefordert wurde, in Grenzen. „Ich traue mich kaum noch, da vorbeizugehen“, meint eine junge Mutter. Schon mehrfach sei sie von jugendlichen Schwarzen angepöbelt und belästigt worden. „Besonders an den Bushaltestellen nahe der Kaserne ist es schlimm. Da sitzen dann gleich zehn oder zwanzig junge Männer und scannen einen mit ihren Blicken.“ Zweimal habe einer von ihnen versucht, sie zu „begrapschen“. Als sie darauf die Haltestelle verließ, sei sie von mehreren Schwarzen beschimpft worden. „Wir haben hier inzwischen Angst, unsere Kinder spielen zu lassen. Und die Politiker lassen uns mit den Problemen vollkommen allein“, meint eine andere Anwohnerin. Zwar würden inzwischen berittene Polizeieinheiten in der Gegend patrouillieren. „Aber die Angst bleibt.“ Auch an der benachbarten Tankstelle hatte sich der Ansturm der Asylbewerbern negativ bemerkbar gemacht. „Ich wurde schon bespuckt“, erinnert sich ein Angestellter. Einige Verkäuferinnen angrenzender Supermärkte berichten von steigenden Ladendiebstählen.

Doch nicht alle Anwohner sind den Neuankömmlingen gegenüber skeptisch eingestellt. „Ich gehe hier jeden Tag mit meinem Hund spazieren und habe noch nie Probleme bekommen“, sagt eine Rentnerin. „Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten wir noch viel mehr Flüchtlinge, die wurden auch erst nicht freundlich von den Einheimischen aufgenommen“, erzählt sie. „Heute sind die doch alle bestens integriert.“ Aber: „Natürlich gab es da keine Schwierigkeiten mit der Sprache, und die kulturellen Unterschiede waren auch nicht so extrem“, gibt die Frau zu, die sich zudem fragt, warum die Asylbewerber alle über Mobiltelefone verfügen, die sie, vor der Kaserne stehend, unentwegt nutzen.

Gerüchte über die Herkunft der Handys

In der Nachbarschaft habe daher schon das Gerücht die Runde gemacht, der Staat würde die Asylbewerber mit Handys ausstatten. „Das ist aber definitiv nicht der Fall“, versichert die Diakonie-Mitarbeiterin. „Ich bin doch froh, hier zu sein, ich schwöre, ich mache euch keine Probleme, und die meisten meiner Landsleute auch nicht. Aber es gibt leider immer wieder einige wenige Idioten“, schildert ein in der Bayernkaserne lebender Nigerianer. Seinen Namen möchte er ebensowenig verraten wie die Herkunft seines Smartphones.

Was er über das Zusammenleben in der Bayernkaserne erzählt, hört sich anders an als die Darstellungen aus dem Sozialreferat. „Natürlich gibt es Konflikte, eine Menge sogar.“ Doch meist bleibe es bei Drohungen. „Das sagt dir aber keiner so deutlich. Niemand will Ärger haben aus Angst, wieder zurück nach Afrika zu müssen.“

 

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