© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/14 / 05. September 2014

Verharmlost und ignoriert
Sexueller Mißbrauch: Politische Korrektheit verhinderte in England das Aufdecken eines moslemisch geprägten Pädophilen-Netzwerks
Fabian Schmidt-Ahmad

Es handelt sich um ein Protokoll des Schreckens, wie es vielleicht in einem Krieg erwartet wird. Doch der Untersuchungsbericht, den die ehemalige Sozialarbeiterin Alexis Jay vorgelegt hat, stammt nicht aus einem fremden, fernen Land, sondern aus dem mittelenglischen Rotherham. Hier sollen pakistanische Männer über Jahre hinweg unzählige weiße Mädchen systematisch vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen haben. Mindestens 1.400 Kinder seien diesem Netzwerk zwischen 1997 und 2013 zum Opfer gefallen, schätzt Jay.

Der schwerwiegende Vorwurf: Aus Gründen der Politischen Korrektheit seien die mehrheitlich moslemischen Täter von britischen Behörden und der Polizei massiv gedeckt worden. Alarmmeldungen von Jugendarbeitern hätten Verantwortliche jahrelang ignoriert oder verharmlost. Bereits ein Untersuchungsbericht von 2002 zeige das Ausmaß des systematischen Mißbrauchs auf, ein weiterer 2003 und ein dritter 2006, zählt Jay auf. Allesamt blieben sie ohne Folgen.

Angst, als Rassist bezeichnet zu werden

Eine Viertelmillion Einwohner zählt der Stadtkreis Rotherham. Acht Prozent davon gehören ethnischen Minderheiten an, 8.000 sind Moslems. Es ist schwer vorstellbar, wie die einschlägigen Gruppen von Männern übersehen werden konnten, die Minderjährige gezielt abfingen: vor Schultoren, in Schulbussen lauerten sie ihren Opfern auf. Es folgten aufdringliches Nachstellen, Protzen mit teuren Autos, dann aber rasch Drohungen und Schläge, sollten sich die Mädchen nicht gleich sexuell gefügig zeigen.

War die Beute erst einmal am Haken, folgte eine Spirale fortschreitenden Terrors, mit dem der Willen des Opfers gebrochen werden sollte. Liebesbeteuerungen wechselten sich mit brutaler Gewalt ab. In Tauschringen wurden die Kinder herumgereicht – auch in andere nordenglische Städte, um Nachforschungen der Eltern zu erschweren. Wollte ein Mädchen aussteigen, wurde dessen Familie häufig mit in den Terror einbezogen.

Immer wieder gab es sexuelle Gewalt zur Disziplinierung. Mit der Drohung, ihnen würde es bei Ungehorsam genauso ergehen, mußten Kinder bei schweren Mißhandlungen zuschauen. „Mädchen, kaum älter als elf Jahre, wurden von einer riesigen Zahl männlicher Täter vergewaltigt“, zeigte sich Jay schockiert. Opfer wurden mit Benzin übergossen. Danach wurde ihnen angedroht, sie anzuzünden, sollten sie etwas verraten. Doch die Sorge war unbegründet. In Wirklichkeit taten die Behörden alles, um nicht hinsehen zu müssen.

Ein Drittel der Opfer stammte aus sozial schwierigen Verhältnissen und stand unter Aufsicht der Behörden. „Einige Mitarbeiter beschrieben die Nervosität wegen des ethnischen Hintergrundes der Täter. Man hatte Angst, als Rassist bezeichnet zu werden“, gibt Jay die Stimmung wieder. „Andere berichteten von klaren Anweisungen.“ Tatsächlich seien Verantwortliche nachweislich sehr wohl über die Vorgänge im Bilde gewesen. Um den sozialen Frieden nicht zu gefährden, habe man aber nichts unternommen.

Auch die Polizei von Rotherham kritisiert Jay scharf. So seien Fälle dokumentiert, bei denen Vergewaltigungsopfer wegen Ruhestörung oder Trunkenheit verhaftet wurden, die eigentlichen Täter aber unbehelligt blieben. Hilfesuchende Mädchen wurden mit dem Hinweis abgewiesen, sie selbst seien verantwortlich. In zwei Fällen sei die Polizei gegen Väter vorgegangen, die versucht hatten, ihre verschleppten Töchter aus Wohnungen zu befreien. Statt ihnen zu helfen, seien die Männer von den hinzugerufenen Polizisten belangt worden.

Rotherham ist nur die Spitze eines Eisbergs

Der Grund dafür, daß der Mantel des Schweigens nun Risse bekommen hat, ist der Journalist Andrew Norfolk. In langjähriger Recherche war er den organisierten Netzwerken nachgegangen und hatte in der Times auf sie aufmerksam gemacht. Nicht zuletzt ihm ist es zu verdanken, daß 2010 erstmals fünf moslemische Täter für ihre Verbrechen verurteilt wurden. Die aktenkundig gewordene Grausamkeit und die Ahnung, nur die Spitze des Eisbergs zu sehen, führten zum vorliegenden Untersuchungsbericht.

Es ist ein Dokument der Schande geworden, das aufzeigt, was Politische Korrektheit in Wirklichkeit ist: eine Maske der scheinbaren Humanität und weltumspannenden Glückseligkeit, hinter der sich aber eine Mischung aus engherziger Trägheit, moralischer Korruption und absoluter Bosheit verbirgt.

Bereits im vergangenen Jahr kam es zu Unruhe im Stadtrat von Rotherham.Der stellvertretende Stadtratsvorsitzende Jahangir Akhtar mußte sein Amt ruhen lassen, nachdem die Times seine verwandtschaftliche Beziehung zum Mitglied einer Bande von Kinderschändern bekannt machte. Arshid Hussain wird vorgeworfen, gemeinsam mit anderen Männern mindestens vierzig Mädchen in Rotherham sexuell mißbraucht zu haben. Akhtar wies damals jede Schuld von sich. Weder habe er über Hussains sexuelle Beziehungen zu Minderjährigen gewußt, noch ihn bei Ermittlungen gedeckt. Damals wurde der Times-Artikel noch abgeschmettert. Man habe keine Beweise gefunden, meldete sich Rotherhams Innensenator Martin Kimber in der BBC zu Wort. „Es wird keine weiteren Untersuchungen geben.“ Er wolle der Polizei danken, „die ihre Ermittlungen unbeirrt durchgeführt und ihren Standpunkt klargemacht“ habe.

Zurück bleibt der unangenehme Eindruck, in Rotherham nur den Teil-ausschnitt eines weitaus größeren pädophilen Kartells zu Gesicht bekommen zu haben. Dieser Meinung ist die Vorsitzende der Kinderschutzorganisation Parents Against Child Sexual Exploitation (Pace), Hilary Willmer. Sie gehörte zu den Autoren des ersten, 2002 verfaßten und unterdrückten Berichtes. Gegenüber dem Guardian erinnert sie sich: „Zur selben Zeit, als wir dort (in Rotherham) arbeiteten, haben wir Rückmeldungen von Eltern aus dem ganzen Land erhalten. Es waren darunter Orte wie Oxford, Lancashire – kurzum, von überall her. Alles das ist nicht zur Kenntnis genommen worden.“

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