© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/14 / 05. September 2014

Ausbruchversuche aus dem Gefängnis
Gemeinschaftswährung: Deutschlands renommiertester Ökonom, Hans-Werner Sinn, hat einen Sechs-Punkte-Plan zur Lösung der Euro-Krise vorgelegt
Katharina Hirsch

Die größte Volkswirtschaft Europas sitzt in der Falle – der „Targetfalle“. Den Mechanismus dieser Falle hat Hans-Werner Sinn schon vor Jahren geschildert: Die Bundesbank hat faule Forderungen an Südeuropa in der Bilanz, weil die deutschen Wirtschaftsgüter dort mit der Notenpresse bezahlt wurden (JF 44/12). Diese Gelder – Ende 2013 immerhin noch etwa 440 Milliarden Euro – wären bei einem Austritt Deutschlands aus der Euro-Zone neben der fälligen Haftung für die bisherigen Rettungsmaßnahmen verloren. Weil der 66jährige Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschafsforschung zudem an die europäische Idee glaubt, sucht er nach Wegen aus dem Euro-Gefängnis. Im Gespräch mit dem Verleger und Publizisten Jens Schadendorf hat er deshalb einen Sechs-Punkte-Plan entwickelt, um die europäische Gemeinschaftswährung zu stabilisieren.

Der erste Schritt sei eine Schuldenkonferenz, „bei der alle Schulden der Krisenländer auf einen Tisch gelegt werden und bei der die Gläubiger und Schuldner anschließend über einen Schuldenerlaß bzw. Schuldenschnitt verhandeln“, erklärt Sinn. An zweiter Stelle sollte ein Austritt überschuldeter Länder aus der Eurozone stehen. „Ein Verlassen der Eurozone würde bedeuten, „daß alle Lohnkontrakte, alle Preisschilder, alle Mieten und alle Eurobeträge, die man in den Kreditkontrakten mit inländischen Banken und anderer Gläubiger findet, auf die heimische Währung umgestellt werden“. Schlagartig wären die abwertenden Ex-Euro-Länder wettbewerbsfähiger.

Drittens verlangt Sinn von den Krisenländern eine Eigenleistung, um das Vertrauen der Kapitalmärkte zurückzugewinnen. Sie könnten zum Beispiel den Gläubigern attraktive Pfänder anbieten, um die verlangten Zinsen zu senken. New York und Finnland hätten nach diesem Prinzip so einen Konkurs abgewendet, sagt der wohl am häufigsten zitierte Finanzwissenschaftler des deutschsprachigen Raumes.

Viertens will der gebürtige Westfale das gesamte EZB-System neu ordnen. Im EZB-Rat müsse nach Einwohnerzahl, BIP oder Haftungsanteil gestimmt werden, indirekte Staatsfinanzierung über Aufkäufe von Staatsanleihen sei tabu. Stabil könne der Euro nur dann werden, wenn „sich die Länder in einer Währung verschulden müssen, die sie nicht selbst drucken können“.

Sinn – einer der letzten genuinen Nationalökonomen – plädiert fünftens für einen „atmenden Euro“, der Ein- und Austritte in die Währungszone zuläßt. Seinen Sechs-Punkte-Plan krönt schließlich eine Konkursordnung für den Euro.

Hans-Werner Sinn: Gefangen im Euro. Redline-Verlag, München 2014, broschiert, 196 Seiten, 9,99 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen