© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/14 / 05. September 2014

Wer stört, wird zerstört
Ein Buch zum Fall Gustl Mollath
Sebastian Hennig

Am Mainfrankentheater Würzburg ist der Fall Gustl Mollath inzwischen auf die Bühne gekommen. Bei der Uraufführung zeigte sich die reale Titelperson beeindruckt von dem Stück. Im juristischen Theater ist ein Nachspiel nicht ausgeschlossen, da sich Mollath auf einen „Freispruch zweiter Klasse“ nicht einlassen möchte.

Was in jedem Fall bleibt, ist die Erinnerung an ein Drama von Macht, Eifersucht, Entrechtung und Genugtuung: Als ein Mann durch die Tätigkeit seiner Frau bei einem großen Finanzinstitut von dessen ungesetzlichen Machenschaften erfährt, informiert er die Öffentlichkeit. Die Bank muß im Zuge einer hausinternen Sonderrevision einräumen: „Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt.“ Seine Anzeige gegen das Unternehmen wird niedergeschlagen.

Dafür gerät er selbst in die Mühlen der Justiz. Eine ärztliche Ferndiagnose, die der Anwalt seiner Frau veranlaßt, bringt den Störer in den Ruch einer psychischen Störung. Anstatt Licht in dieses Dunkel zu bringen, verschwindet er selbst darin. Als ein gemeingefährlicher Geistesgestörter verbringt er sieben Jahre in verschiedenen forensischen Psychiatrien. Der Band „Staatsversagen auf höchster Ebene“ bietet eine Zusammenfassung. Michael Kasperowitsch hat als erster in den lokalen Nürnberger Nachrichten genauer über die Widersprüche des Verfahrens berichtet. Seine Schilderung der „journalistischen Schöpfungsgeschichte“ des Falls eröffnet die siebzehn Aufsätze von Fachleuten.

In Fahrt kam der Fall erst durch die überregionale Süddeutsche Zeitung. Johannes Ludwig gibt den Verlauf der Themenkarriere in drei Phasen wieder. Bemerkenswert tritt dabei die Rollenteilung hervor. Die Internetforen sind Impulsgeber für die Berichterstattung durch die Printmedien, deren Autorität politisches Handeln bewirkt. Hans See weist darauf hin, daß eine kritische Haltung selbst für Staatsanwälte und Steuerfahnder im gesellschaftlichen Abseits enden kann. „Gustl Mollath ist ein – wenn auch extremer – Fall von vielen. (...) Es gibt viele ähnlich gelagerte namenlose Fälle, die keine Beachtung finden.“ Der Mitherausgeber des Bandes Sascha Pommrenke fragt, ob Mollath „nicht nur prinzipiell (...) sondern sogar ganz persönlich gestört habe?“

Sascha Pommrenke, Marcus Klöckner (Hrsg.): Staatsversagen auf höchster Ebene. Was sich nach dem Fall Mollath ändern muß. Westend Verlag, Frankfurt 2013, broschiert, 208 Seiten, 12,99 Euro

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