© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/14 / 05. September 2014

Kriegsspiel und Gedenken
Für ein Wochenende im Felde: Weltkrieg-I-Reenactor stellen Situationen in der Schlacht an der Sambre von 1914 nach
Matthias Schneider

In Belgien, auf dem Plateau Belle-Motte zwischen Charleroi und Namur, rollt langsam der gepanzerte Wagen über ein abgeerntetes Feld. Flankierende französische Infanteristen beobachten wachsam die Umgebung: Es gilt, gegen das Dorf Falisolle aufzuklären. Plötzlich erschallen Kommandorufe, aus einem 200 Meter entfernten Maisfeld schwärmt deutsche Infanterie. Nahe am Waldrand gehen feldgraue Soldaten mit schweren MGs in Stellung und schicken ihr tödliches Tak-tak-tak gegen den Feind.

Während die französische Aufklärungsabteilung zurückweicht, rückt die Hauptmacht der Franzosen an und schwärmt gegen die deutsche Linie aus. Jetzt greift die Artillerie ein, Granateinschläge blitzen, bald steht das halbe Feld in Flammen, Rauchschwaden erschweren die Sicht.

All das ereignete sich nicht vor hundert Jahren, sondern erst jüngst am 24. August, als rund 90 Reenactor Kampfhandlungen der Sambreschlacht nachspielten, in deren Verlauf das X. Armeekorps Ende August 1914 den Fluß überschritt und am südlichen Ufer auf französischen Widerstand stieß.

Die Darsteller kampieren auf Stroh im Feldlager

Zum Ende des einstündigen Spektakels präsentieren sich die aus Frankreich, England und Deutschland angereisten Darstellergruppen dem applaudierenden Publikum, schütteln Hände, umarmen und freuen sich auf den gemeinsamen Umtrunk nach der Schlacht. Tags zuvor waren sie bereits gegeneinander angetreten, um in einer ähnlichen Inszenierung die Kämpfe um das nahe gelegene Dorf Roselies nachzustellen. Während der dreitägigen Veranstaltung kampieren die Darsteller gemeinsam im Feldlager, schlafen in originalgetreuen Militärzelten auf Strohsäcken und führen den Zuschauern militärische Ausrüstung und Drill vor.

Was wie Geschichtsklamauk mit Volksfestcharakter aussieht, bekommt eine ernste Note durch die Vergegenwärtigung jener Männer, für die der Feldzug vor hundert Jahren mit dem Tod endete. Veranstaltungen wie diese, die in Frankreich und Belgien regelmäßig stattfinden und zum aktuellen Jubiläum des Ersten Weltkrieges Konjunktur haben, sind angebunden an offizielle Gedenkfeierlichkeiten auf Kriegsgräberstätten.

So auch diesmal auf dem französischen Soldatenfriedhof de la Belle-Motte, beim Dorf Aiseau. Dazu wurden die militärhistorischen Darsteller in ihren authentischen Uniformen von der Region Wallonie eingeladen. In stramm militärischer Haltung wohnen sie der Zeremonie bei und machen so das Gedenken an die gefallenen Vorväter lebendig und anschaulich. Die ausnahmslos positiven Reaktionen des Publikums und die Freundschaften, die zwischen langjährigen Darstellern der verschiedensten Nationen bestehen, sind Ausdruck gelebter Völkerfreundschaft angesichts einer gemeinsamen tragischen Vergangenheit.

Fotos: Trinkfreudiger Zug: Ein kühles Bier nach heißer Schlacht, Unteroffizier bei Befehlsausgabe an  die Korporalschaft: „Immer feste druff!“, Deutsche Infanterie angetreten: „Das Gewehr über!“

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