© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

Grüße aus Bern
Entsetzte Eidgenossen
Frank Liebermann

Die Schweizer sind ein tolerantes Volk. Auch wenn dies die Gegner von diversen Volksabstimmungen zum Thema Minarete oder Europäische Union anders sehen mögen. Großen Schutz genießt die Privatsphäre der Menschen. Schließlich leben die Eidgenossen auf engstem Raum zusammen und begegnen sich recht häufig im Leben. Sex-skandale gab es, seit ich in Bern bin, nicht. Das hat sich in den vergangenen Wochen grundlegend geändert. Gleich zwei Sexskandale wurden öffentlich. Bundesbern ist hoch erregt.

Zum einen gab es die Porno-Sekretärin aus dem Schweizer Parlament. Eine freizügige Mitarbeiterin des parlamentarischen Dienstes hatte Selfies von sich ins Internet gestellt. Auf den Selfies war alles zu sehen, was die Männerwelt auf Twitter erfreute. Dies hätte in unseren Zeiten vermutlich niemanden interessiert, wäre anhand von einigen Aufnahmen nicht klar geworden, daß die Dame die obszönen Bilder in ihrem Parlamentsbüro fotografiert hatte.

Blöderweise geriet der Grünen-Politiker mit seinen unappetitlichen Selfies an die Falsche.

Der andere Skandal entbrannte um den Aargauer Nationalrat und Badener Gemeindepräsident Geri Müller. Skandalalisiert wurde jedoch nicht sein Engagement für Hamas, sondern sein bestes Stück. Dieses fotografierte und verschickte er. Müller hat sich mit einer Dame eingelassen, mit der er eine Art Fernbeziehung ohne tiefere persönliche Kontakte pflegte. Er versendete von seinem Mobiltelefon Bilder seines Gemächts, auf Wunsch der Dame. Schlimm war das nicht, eher peinlich. Blöderweise geriet er an die Falsche. Als er die Beziehung beenden wollte, versuchte sie die Bilder bei mehreren Zeitungen zu plazieren. Müller informierte die Polizei, ließ das Telefon beschlagnahmen und hoffte, die Sache bleibe so unter Kontrolle. Pech für ihn, daß er in Bern wenig Freunde hat. Als Inbegriff des gesunden grünen Volksempfindens hat er sich schon häufig in das öffentliche Bewußtsein der Schweizer gedrängt. Leider nicht immer positiv. Die Schadenfreude ist groß. Ob er in Amt und Würden verbleiben kann, ist ungewiß.

Gemein ist nur eines. Während Müller von seinen Parteifreunden und weiten Kreisen der Linken gestützt wurde und auf eine gütliche Entscheidung hoffen darf, mußte die Sekretärin im gegenseitigen Einvernehmen ihren Schreibtisch im Bundeshaus räumen. Jobprobleme hat sie aber trotzdem keine. Ein paar Unternehmen unterbreiteten ihr schon Angebote für eine neue Stelle. Die Selfies genügten als Qualifikation.

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