© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

EZB senkt Leitzins auf neues Rekordtief
Brandgefährlich
Jörg Fischer

Der Euro ist billig wie nie: Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt den Leitzins von 0,15 auf ein Rekordtief von 0,05 Prozent, der Kurzfristzins fiel von 0,4 auf 0,3 Prozent. Das sei an der „unteren Grenze, an der technische Korrekturen nicht mehr länger möglich seien“, verkündete EZB-Chef Mario Draghi. Zugleich drohte der frühere Goldman-Sachs-Vizepräsident „weitere unkonventionelle Maßnahmen“ an und ließ durchblicken, daß sich eine starke Fraktion innerhalb des EZB-Rates ein „breites Aufkaufprogramm für Wertpapiere“ wünscht.

Dabei sind schon die jüngsten EZB-Beschlüsse gefährlich genug: Einerseits entwerten die Niedrigzinsen die Ersparnisse weiter, weil die Sparrenditen unterhalb der deutschen Inflationsrate liegen. Andererseits will die EZB nun Pfandbriefe und Kreditbündel, sogenannte Asset-Backed Securities (ABS), aufkaufen – also jene undurchsichtigen Verbriefungen, die sich in der Finanzkrise oft als Schrottpapiere erwiesen. Das ABS-Ausfallrisiko trägt nicht mehr die Finanzindustrie, sondern letztlich der Sparer und Steuerzahler.

Werden mit den billigen Euro Produktion und Konsum angekurbelt? Eher nicht, denn für reale Investitionen macht der 0,1-Prozent-Unterschied kaum etwas aus. Mit dem Geldregen lassen sich aber Spekulationsgeschäfte oder Aktienrückkäufe finanzieren, um ein neues Kursfeuerwerk zu entfachen. Brandgefährlich ist: Das Zinsniveau treibt frustrierte Sparer ins Risiko – bei Tagesgeld im Ein-Prozent-Bereich frohlocken windige Anlageverkäufer, und Versicherer bekommen Probleme, ihre Riester-Versprechen einzuhalten. Der Immobilienmarkt ist längst überhitzt, die Dividendenrendite von Aktien sinkt. Wer jetzt bei VW oder Bayer einsteigt, kann mit zwei Prozent rechnen und muß an künftige Kursgewinne glauben.

Und Goldbesitzer wissen aus der Geschichte: Politik und Finanzindustrie schrecken vor „unkonventionellen Maßnahmen“ nie zurück.

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