© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

Volles Sündenregister
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft: Wie die Große Koalition eine erfolgreiche Wirtschaftsordnung ruiniert
Christian Schwiesselmann

Es gab Zeiten, da berief sich Angela Merkel in wirklich jeder Rede vor noch so kleinem Auditorium auf den zweiten deutschen Bundeskanzler und Vater des Wirtschaftswunders: „Was würde Ludwig Erhard dazu sagen?“ Auf dem legendären Leipziger Parteitag 2003 zitierte die damalige Oppositionsführerin nicht nur aus Erhards Buch „Wohlstand für alle“, sondern verpflichtete ihre ganze Partei auf dessen Wirtschaftsordnung, die Soziale Marktwirtschaft: „Die CDU ist stolz auf dieses Modell. Es ist ihr ein hohes Gut, das sie nicht preisgeben wird. Sie ist und bleibt die Partei der Sozialen Marktwirtschaft.“

„Ordnungspolitische Fehlentscheidungem“

Davon ist mehr als zehn Jahre später in der zweiten Großen Koalition zwischen Christ- und Sozialdemokraten nichts mehr zu spüren. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft – eine von der Metall- und Elektroindustrie finanzierte „parteiübergreifende“ Plattform – hat zehn „Sündenfälle“ dokumentiert, in denen die schwarz-rote Bundesregierung „marktwirtschaftliche Prinzipien“ über Bord geworfen und „folgenschwere ordnungspolitische Fehlentscheidungen“ getroffen hat.

Mehr Daten und Grafiken zu „Die 10 Sündenfälle der Bundesregierung“ unter: www.insm.de

 

Weder sozial noch Marktwirtschaft

1. Rente

Das Rentenpaket durchbricht das Äquivalenzprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung: Wer länger einzahlt, muß später mehr in der Hand haben. Die Rente mit 63 fegt 250.000 Fachkräfte vom Arbeitsmarkt; die Mütterrente kostet bis 2030 83 Milliarden Euro Beitrags- und Steuergelder – zu Lasten der jungen Generationen.

 

2. Frauenquote

Die gesetzliche 30-Prozent-Frauenquote in Aufsichtsgremien großer Unternehmen ab 2016 beschädigt mit der Vertragsfreiheit einen Grundpfeiler der Sozialen Marktwirtschaft. Unternehmen wissen am besten, wie eine offene Stelle zu besetzen ist. Nicht eine Quote, sondern die Qualifikation der Bewerber sollte entscheiden.

 

3. Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro soll ab 2015 gelten und schafft die Tariffreiheit – ein weiteres Grundprinzip der Sozialen Marktwirtschaft – faktisch ab. Wie jeder Mindestpreis wird er die Arbeitsnachfrage verringern und die Arbeitslosigkeit steigern – vor allem im Osten, wo 2012 mehr als ein Viertel aller Beschäftigten weniger verdienten.

 

4. Zeitarbeit

Die Große Koalition will die Überlassungsdauer von Zeitarbeitern auf 18 Monate beschränken und fällt damit weit hinter die Hartz-IV-Reformen Gerhard Schröders zurück, die 24-Monate-Überlassungen zuließen. Equal-Pay-Regelungen werden den deutschen Jobmotor vollkommen abwürgen.

 

5. Kalte Progression

CDU/CSU und SPD können sich nicht zur Abschaffung der kalten Progression durchringen, die aus der Einkommensteuerprogression resultiert. Der Staat profitiert von heimlichen Steuererhöhungen, die den Steuerzahler allein 2014 mit 3,5 Milliarden Euro zusätzlich belasten.

 

6. Gesundheit

Schwarz-Rot plant, den pauschalen Zusatzbeitrag abzuschaffen, den gesetzliche Krankenkassen erheben können, wenn die Mitgliedsbeiträge nicht ausreichen. An seine Stelle soll ein lohnabhängiger Zusatzbeitrag treten, der die Lohnnebenkosten treibt. Arbeit wird teurer.

 

7. Pflege

Hermann Gröhe (CDU) will den Leistungskatalog der Pflegeversicherung ausweiten.Bei prognostizierten 4,2 Millionen Pflegefällen im Jahr 2050 ist mit einer Finanzierungslücke von 38 Milliarden Euro zu rechnen. Die geplante Beitragserhöhung auf 2,55 Prozent bis 2017 ändert daran wenig.

 

8. Energiewende

Die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes soll die Ökostromförderung marktgerechter machen, es bleibt aber bei staatlichen Einspeisegarantien. Die Zeche zahlen die Stromkunden doppelt: hohe Preise und Abwanderung energieintensiver Firmen.

 

9. Mietpreisbremse

Die Mietpreisbremse ist ein weiterer Anschlag Merkels und Gabriels auf freien Wettbewerb und Privatautonomie. Steigende Mieten sind Ausdruck steigender Nachfrage, Eingriffe wie Höchstpreise verzerren das Preissignal und schrecken Investoren ab. Die Folge: noch mehr Wohnungsknappheit.

 

10. PKW-Maut

Das CSU-Projekt sieht vor, ausländische Autofahrer am Unterhalt deutscher Verkehrswege zu beteiligen. Die Vignette „diskriminiert“ nicht nur Ausländer, sondern auch Vielfahrer. Purer Unsinn: Schon heute kassiert der Bund pro Jahr 46 Milliarden Euro aus verkehrsspezifischen Steuern. In seine Fernstraßen investierte er zuletzt aber nur 5,4 Milliarden Euro.

 

Foto: Symbolik des Sündenfalls: „Die Blindheit und intellektuelle Fahrlässigkeit, mit der wir dem Versorgungs- und Wohlfahrtsstaat zusteuern, kann nur zu unserem Unheil ausschlagen.“ (Ludwig Erhard 1957 in „Wohlstand für alle“)

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