© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

Ansteckendes Virus
Magazine: Die Zeitungskrise droht auch „Spiegel“, „Stern“ und „Focus“ in den Abgrund zu reißen
Ronald Berthold

Die Krise im Journalismus ist keineswegs auf den Niedergang der Tageszeitungen begrenzt, wie es die aktuelle Diskussion Glauben machen will. Mindestens genauso schwer sind Magazine wie Spiegel, Focus und Stern betroffen. Dabei behaupten Medienexperten seit Jahren, eine große Leserschaft für hintergründige Zeitschriften werde es trotz Trend zum Internet immer geben. Die Analyse ist durchaus richtig, blendet aber die internen Verhältnisse aus.

Denn die Realität sieht derzeit ganz anders aus. Die Leser laufen diesem Markt in Scharen davon. Der Stern hat in den vergangenen zehn Jahren 29,8 Prozent seiner verkauften Auflage verloren, der Focus sogar 35,2 Prozent und der Spiegel immerhin fast 20. Besonders rasant läuft diese Entwicklung seit 2009.

Was also läuft dort schief? Warum greifen die Deutschen immer seltener zu Zeitschriften, deren Anspruch es ist, Hintergründe zu erklären und journalistisch deutlich mehr zu bieten als schnelle Online-Texte? Die Krise ist in erster Linie hausgemacht. Alle drei Hefte schaffen es nicht, dem Leser durch Kontinuität ein Heimatgefühl zu geben. In atemberaubender Geschwindigkeit müssen Chefredakteure gehen, werden neue Konzepte ausprobiert. Besonders viel mutet dabei der Focus seinen Kunden zu. Nach dem Abgang von Gründer Helmut Markwort im Herbst 2010 tritt mit Ulrich Reitz am 1. Oktober bereits der vierte Chefredakteur in nur vier Jahren sein Amt an.

Wolfram Weimer, Uli Baur und Jörg Quoos durften sich zwischendurch am Blattmachen bei Burdas Aushängeschild versuchen. Jeder brachte dabei seine eigenen Ideen mit. Folge: Die Redaktion muß sich permanent umstellen, fühlt sich damit teilweise überfordert und demotiviert. Was gestern noch gut war, ist heute schlecht und morgen vielleicht schon wieder machbar. Unter diesem internen Chaos leidet die Qualität, und die ständig neue Ausrichtung verwirrt die Leserschaft. Immer mehr wollen diesen Zickzackkurs nicht mitmachen und lassen das Heft in den Regalen liegen.

Aber nicht nur das Münchner Nachrichtenmagazin agiert hektisch. Beim Hamburger Mitbewerber, der auch montags erscheint, blockieren sich Redaktion und Leitung seit Jahren gegenseitig (JF 36/14). Der jüngste Konflikt endete mit der faktischen Entmachtung von Chefredakteur Wolfgang Büchner. Er soll sich aus dem Tagesgeschäft heraushalten. Damit steht auch beim Spiegel bereits der vierte Chef in fünf Jahren vor dem Aus. Der Streit kostet Kraft, die zu Lasten des Blattes geht. Die Leser merken es und verschmähen zunehmend das selbsternannte Leitmedium. Die wirtschaftlichen Folgen: Der Umsatz der Spiegel-Gruppe ist trotz neuer Geschäftsfelder wie Online von 352 Millionen Euro (2008) auf 298 Millionen (2013) gesunken.

Es werden nicht schnell genug neue Leser gewonnen

Als sei das Heuern und Feuern der Führungsetage ein ansteckendes Virus, hat diese Mentalität nun auch auf die Donnerstags-Variante Stern übergegriffen. Nach nur etwas mehr als einem Jahr entließ der Gruner + Jahr-Verlag Chefredakteur Dominik Wichmann. Sein Nachfolger kommt vom Klatschblatt Gala, wo er in gleicher Funktion tätig war.

Inzwischen werden bereits Wetten abgeschlossen, ob Christian Krug das Magazin aus der Krise führen kann und wie lange er wohl bleiben wird. Auch hier zeigen sich durch die ständigen Wechsel dieselben Symptome wie bei Focus und Spiegel: „Die Redaktion war nervlich zerrüttet“, berichtet der Tagesspiegel über die Befindlichkeiten der Mannschaft – zumal nach der nicht erfolgten Neubesetzung von 20 Stellen nun 26 Redakteure gekündigt werden. Der Abbau eines Viertels der gesamten Redaktion könnte dem Qualitätsverlust und damit dem Auflagenschwund weiteren Vorschub leisten.

Die Personalpolitik der Verlage ist kontraproduktiv. Mit dem Tausch ihrer Spitzenleute versuchen sie, die Leserflucht aufzuhalten, verstärken sie aber vielmehr. Denn jeder mit dem Chefwechsel einhergehende Konzeptwechsel vergrault einen Teil der Stammkunden. Im gleichen Maße schnell neue Leser zu gewinnen, die diesen Verlust ausgleichen, hat sich als aussichtslos herausgestellt. Folge ist der Sturzflug am Kiosk.

Der Berater und Medienjournalist Bernd Ziesemer wirft den Zeitschriften-Häusern „Panik“ und einen „Aktionismus“ vor, der die fehlende „operative Exzellenz“ kaschieren solle. Ein neuer Chefredakteur könne „in der kurzen Zeit beim besten Willen gar nicht viel verändern“. Heißt: Bevor dessen Vorstellungen überhaupt greifen, muß er schon wieder gehen.

Wie sehr die Verlage die Krise ihrer Magazine selbst zu verantworten haben, zeigt ein Blick auf die Wochenzeitungen, die ebenso auf hintergründige Berichterstattung, aber – im Gegensatz zu den Magazinen – auf Kontinuität an der Spitze setzen. Die Zeit konnte die Zahl ihrer verkauften Exemplare in den vergangenen fünf Jahren um 4,1, die JUNGE FREIHEIT sogar um 33,3 Prozent steigern.

Foto: Auflagenzahlen: Die Magazine befinden sich seit Jahren in einem Sinkflug, der dem Abstieg der Tageszeitungen in nichts nachsteht

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