© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/14 / 19. September 2014

„So etwas werden wir nie wieder erleben“
Landtagswahlen: Die AfD befindet sich nach dem Dreifacherfolg in Hochstimmung, doch nun stehen der Partei wichtige Entscheidungen bevor
Marcus Schmidt

Um die aktuelle Verfassung der AfD zu beschreiben benötigte Parteisprecher Bernd Lucke am Montag nur ein Wort: „Hochstimmung“. Gemeinsam mit Alexander Gauland und Björn Höcke, die am Vorabend in Brandenburg und Thüringen als Spitzenkandidaten jeweils ein zweistelliges Ergebnis für die AfD eingefahren hatten, versuchte Lucke sich und den Berliner Journalisten den Erfolg seiner Partei zu erklären.

Für die AfD sind die drei Landtagswahlen ohne Frage eine wichtige Wegmarke. Es hat sich gezeigt, daß die Partei nicht nur mit der Euro-Krise Wähler mobilisieren kann. In den Wahlkämpfen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg punktete die AfD vor allem mit Themen wie Asylpolitik, Grenzkriminalität, aber auch Bildung.

„So etwas werden wir nie wieder erleben“, mahnte dennoch ein AfD-Funktionär am Wahlabend in Potsdam. Vermutlich hat er recht. Derzeit ist schwer vorstellbar, daß die Partei bei den anstehenden Wahlen im Westen nahtlos an den Dreifacherfolg wird anknüpfen können. In der Parteispitze wird zudem damit gerechnet, daß der Aufbau der Landtagsfraktionen und die damit einhergehenden Personalentscheidungen nicht ohne Auseinandersetzungen über die Bühne gehen werden. Allein in Brandenburg kann die Partei künftig mit rund einer Million Euro für die Fraktionsarbeit rechnen. Mitarbeiter müssen eingestellt werden, Hierarchien sich herausbilden. Bereits nach der Europawahl hat sich gezeigt, daß dies nicht ohne Enttäuschungen und Streit ablaufen wird. Gleichzeitig werden sich die Machtverhältnisse in der Partei verschieben. Durch den Wahlerfolg und die künftigen Fraktionen mit insgesamt 36 Abgeordneten und ihren Mitarbeiterstäben wird der Einfluß der drei konservativen Landesverbände deutlich wachsen.

Der Dauerwahlkampf der vergangenen Monate ist dagegen fürs erste vorbei. Zwar laufen schon die Vorbereitungen für die Bürgerschaftswahl in Hamburg am 15. Februar 2015. Doch wird die Bundespartei hierdurch nicht annähernd so gefordert werden wie durch die zurückliegenden Kampagnen zur Europa- und den Landtagswahlen.

Vertreterin des liberalen Flügels tritt aus

In den kommenden Wochen und Monaten stehen für die AfD stattdessen wichtige innerparteiliche Weichenstellungen an. An erster Stelle steht dabei die neue Satzung. Auf dem Erfurter Parteitag Ende März war Lucke mit dem Versuch gescheitert, eine Parteisatzung durchzubringen, die der Parteiführung deutlich mehr Macht einräumen soll. Die Arbeit an einem Kompromißentwurf in den vergangenen Wochen ist ebenfalls nicht geräuschlos über die Bühne gegangen. Lucke geriet mit Teilen der Satzungskommission heftig aneinander, schließlich landete der Fall sogar vor dem Schiedsgericht.

Doch nun scheinen sich die Kontrahenten zusammenzuraufen. Am Wochenende wird die Parteiführung aus Bund und Ländern auf einem Parteikonvent in Kassel über einen Kompromißentwurf beraten. Dann könnte auch die strittige Frage entschieden werden, ob der künftige Generalsekretär der Partei vom Bundesvorsitzenden oder vom Parteitag bestimmt wird. Daß Lucke zur Entlastung einen Generalsekretär benötigt, hat der Parteichef, der mittlerweile mit seiner Familie in Brüssel wohnt, mehrfach deutlich gemacht. Als Kandidat wird in der AfD der hessische Parteisprecher Gunther Nickel gehandelt, der dem liberalen Flügel zugerechnet wird. Kommt eine Einigung zustande, könnte noch in diesem Jahr, spätestens aber im Januar oder Februar ein Mitgliederparteitag über die Satzung entscheiden.

Doch es droht neuer Streit. Die Auseinandersetzungen zwischen Konservativen und Liberalen drohen wieder aufzubrechen. Am Montag kündigte die ehemalige AfD-Sprecherin von Thüringen, Michaela Merz, die zeitweise auch dem Bundesvorstand angehörte, ihren Austritt an. Die AfD habe sich „von der ursprünglich wirtschaftlich orientierten, liberal-konservativen und Euro-kritischen Partei entfernt“, begründet sie ihren Schritt. Die Schlacht um die Ausrichtung sei verloren und die AfD zu einer konservativen Partei rechts der CDU geworden.

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