© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/14 / 19. September 2014

Ritter von der traurigen Gestalt
FDP II: Der Euro-Rebell und frühere Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler zieht Bilanz
Christian Schwiesselmann

Er gehört zum „Fähnlein der sieben Aufrechten“ in der Konkursmasse des politisch organisierten Liberalismus, der seinem Ende entgegendämmert: der FDP-Politiker Frank Schäffler. Sein neues Buch „Nicht mit unserem Geld!“ beantwortet die Frage, warum das Parteiensystem die FDP gerade ausspuckt wie einen abgelutschten Kaubonbon. Streckenweise liest es sich wie eine Anklageschrift gegen eine Parteiführung, die ihre marktwirtschaftlichen Prinzipien wegen einer Handvoll Ministerposten eilfertig preisgegeben hat.

„Denn wir leben zur Zeit in einer Schönwetterperiode, an deren Horizont sich ein gewaltiger Orkan zusammenbraut“, schreibt der 45 Jahre alte Betriebswirt, der bis 2013 im Bundestag saß. „Ich durfte acht Jahre lang im Deutschen Bundestag die ersten Gewitter und Blitzeinschläge hautnah verfolgen.“ Als der Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie 2009 in der FAZ vorschlug, die Finanzkrise mit einer marktwirtschaftlichen Geldordnung zu lösen, warnte der damalige Generalsekretär Christian Lindner, Schäffler „wandele auf einem schmalen Grat zwischen frei denken und frei drehen“.

Genscher durfte an die Mitglieder appellieren

Für Schäffler hat das Staatsmonopolgeld aus der Notenpresse nicht nur die Märkte überflutet, sondern auch die Oberstübchen der Banker und Politiker leergespült. „Wer die Welt mit Ozeanen aus Falschgeld überschwemmt, sollte nicht die Fischer verurteilen, die darin ihre Netze auswerfen“, verwahrt er sich mit einem Zitat Roland Baaders gegen eine plumpe Kapitalismuskritik dort, wo der Staat versagt. In der FDP-Führung sah man dies anders. Dort hörten Westerwelle und Konsorten vor den NRW-Wahle 2010 in der Eurorettungspolitik lieber auf Wolfgang Schäuble und Angela Merkel, als auf Schäfflers Warnung, Griechenlands wirtschaftliche Gesundung nicht durch Alimentierung hinauszuzögern.

„Ich möchte nur nicht, daß die deutschen Steuerzahler für die Schieflage und den Schlendrian in Griechenland bezahlen müssen“, erklärte Schäffler, der mit seinen Unionskollegen Peter Gauweiler, Klaus-Peter Willsch, Manfred Kolbe und anderen gegen die Rettungspakete der schwarz-gelben Regierung stimmte und von der Boulevardpresse als „Euro-Rebell“ verspottet wurde. Dabei fühlte sich der zweifache Familienvater „hundeelend“ – die Loyalitätskonflikte zwischen Partei und Gewissen zerrissen ihn beinahe. Oft fürchtete er die eigene Courage.

Während die Euro-Kritiker Schäffler dafür feierten, daß er den Rechtsbruch der Europäischen Verträge anprangerte und auf das Bail-out-Verbot pochte, straften ihn die Parteioberen hart ab. Sie drängten ihn dazu, sein Amt als Obmann der FDP im Finanzausschuß niederzulegen. Fraktionskollegen schnitten ihn. Schäffler ließ sich nicht einschüchtern und zog mit seinem demonstrativen Nonkonformismus immer mehr Koalitionsabgeordnete auf seine Seite.

2011 wagte Schäffler den Aufstand gegen die nach dem Abgang Westerwelles angeschlagene Parteispitze. Er initiierte einen Mitgliederentscheid gegen die Schuldenvergemeinschaftung und die Aufspannung des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM, der notfalls auch einen Austritt aus der Euro-Zone ermöglichen sollte. In der Parteizentrale brach Panik aus. General Lindner mobilisierte die Alt- und Ehrenvorsitzenden für Gegenpropaganda. Hans-Dietrich Genscher durfte persönlich an die Mitglieder appellieren, während Schäffler und sein altliberaler Mitstreiter Burkhard Hirsch in die Röhre guckten.

Jedes Manipulationsmittel war recht: Einen FAZ-Gastbeitrag zierte die Unterschrift Walter Scheels, obwohl der greise Altbundespräsident laut seiner Frau gar nicht gefragt wurde; ein Werbevideo ließ Bomber rückwärts über Europa fliegen, suggerierte also Rückwärtsgewandtheit der Schäffler-Fraktion; die Stimmzettel versteckte die Geschäftsstelle in der Mitgliederzeitung und wertete sie nicht, wenn die Versicherung der Mitgliedschaft nicht im Wahlumschlag steckte; E-Mail-Verteiler stellte sie gar nicht erst zur Verfügung, rechnete aber die Kosten der Befragung vor; die Führung drohte mit Rücktritt, dem Ende der Koalition und der FDP – ein Kampf „David gegen Goliath“, den „David“ knapp verlor.

Das war für die FDP doppelt fatal, denn die Partei opferte auf dem Koalitionsaltar nicht nur den Geist der Freiheit, sondern ermöglichte auch den Aufstieg der AfD aus dem Dunstkreis ordoliberaler Nationalökonomen wie Bernd Lucke, die lange Zeit auf einen „Klimawandel“ in den bürgerlichen Parteien setzten, bevor sie ihnen Konkurrenz machten. Schäffler erzählt das alles ohne Schaum vor dem Mund aus der Froschperspektive eines Abgeordneten, der machtlos mit ansehen muß, wie sich die Währungs- und Staatsschuldenkrise von Griechenland über Irland, Portugal, Spanien und Zypern durch halb Europa frißt.

Seine bittere Bilanz: „Oftmals ist der Abgeordnete der Regierungsfraktion nicht mehr und nicht weniger als der Überbringer und das Sprachrohr der guten oder schlechten Nachricht vor Ort.“ Die Gesetze diktieren Lobbys und Ministerialbürokratie. Um das zu ändern, verordnet Schäffler Deutschland und den Liberalen ein radikales Freiheitsprogramm, das mit etatistischer Einmischung im Großen – Geldpolitik, Agrarsubventionen, Bankenrettung – und Bevormundung der Bürger im Kleinen – Biosprit, Mülltrennung, Kindererziehung und Rauchverboten – bricht. Daß sein leidenschaftliches Plädoyer die Agonie des „Säuselliberalismus“ in der FDP beendet, widerspricht allerdings der Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte.

Letztlich gibt Schäffler mit seinem Freiheitspathos den liberalen „Ritter von der traurigen Gestalt“: Selten ist einer so oft gegen die Windmühlen angerannt, hat – vollkommen im Recht – so viel Prügel kassiert und so wenig Lohn bekommen.

Frank Schäffler: Nicht mit unserem Geld! Die Krise unseres Geldsystems und die Folgen für uns alle. FinanzBuch-Verlag 2014, gebunden, 272 Seiten, 19,99 Euro

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