© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/14 / 19. September 2014

Den Teufel zum Beelzebub gemacht
EU-Kommission: Jean-Claude Juncker sieht in seinem neuen Kabinett nur Siegertypen, die Europa voran bringen
Mario Jacob

Stolz präsentierte der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die neue EU-Kommission. Der Luxemburger versprach einen Neubeginn und beschwor eine neue „Art der Zusammenarbeit.“ Dies liegt darin begründet, daß den nunmehr zwanzig statt bisher 28 Kommissaren sechs übergeordnete Vizepräsidenten zur Seite gestellt werden. Zur „besseren fachübergreifenden Kooperation“, heißt es aus Brüssel. „Watchdog“ (Wachhund) für das gute Gelingen, erster Vizepräsident und rechte Hand Junckers, ist der sozialdemokratische Niederländer Frans Timmermanns. Watchdog für den degradierten Kommissar Günther Oettinger, der nun für die digitale Wirtschaft zuständig zeichnet, ist der frühere konservative finnische Premier Jyrki Katainen. Oettinger hätte, wenn es nach dem Wunsch von Angela Merkel gegangen wäre, das Amt des Handelskommissars ausfüllen sollen. Daraus wurde nichts.

Auch die Aufstellung des früheren französischen Finanzministers Pierre Moscovici zum neuen EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung konnte die Kanzlerin nicht verhindern.

Der Sozialist spaltet die EU-Gemeinde. Bert van Roosebeke, EU-Experte beim Centrum für Europäische Politik, hält seine Bestellung für „bemerkenswert“, steht Frankreich doch unter Budget-Überwachung der EU. „Wenn man ausgerechnet denjenigen französischen Finanzminister zum Währungskommissar ernennt, der nichts zur Einhaltung des Stabi-Pakts getan hat, dann ist das so, als ob man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben wollte“, klagt der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle. Auch die oppositionellen Konservativen Frankreichs schäumen. Im Europaparlament wollen sich die zwanzig französischen Abgeordneten der Europäischen Volkspartei (EVP) der Wahl Moscovicis widersetzen.

Für Aufsehen sorgt auch der Coup Junckers, den konservativen britischen Tory Lord Jonathan Hill zum obersten Finanzmarktregulierer zu küren. Hills Nominierung überraschte selbst in Großbritannien. Ukip-Chef Nigel Farage spottete: „Jonathan Hill, wer sind Sie?“ Steven Woolfe, bei Ukip zuständig für die Finanzen, kommentierte: „Dies ist ein Pyrrhus-Sieg für David Cameron. Die Ernennung Hills ist ein zynischer Trick und nährt bei den Tausenden Beschäftigten in der britischen Finanzindustrie falsche Hoffnungen. Vielmehr versuche die Europäische Union, unsere Finanzdienstleistungsbranche zu untergraben.“

Der EU-Abgeordnete und Grünen-Politiker Sven Giegold hält die Ernennung zudem für reine „Provokation“. Hill sei Mitbegründer einer Beratungsfirma, zu deren Kunden auch Unternehmen aus der Finanzbranche gehörten. „Damit wäre ein Banken-Lobbyist für die Finanzmarktregulierung zuständig.“

Juncker wischt all die Vorbehalte zur Seite und zeigt sich siegessicher: „Ich bin überzeugt, daß das ein Siegerteam ist.“ Kritik weist der langjährige Sprecher der Euro-Gruppe zurück. Angriffe, wie gegenüber der designierten neuen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, läßt er nicht gelten. Er sei von den Fähigkeiten der ehemaligen italienischen Außenministerin überzeugt, erklärt der Ex-Premier Luxemburgs.

Die 41jährige gilt nach nur halbjähriger Arbeit in dem Amt nicht nur als politisch unerfahren, sondern war zudem aufgrund ihrer positiven Haltung zu Putin Ziel harscher Worte. Doch die linksliberale Politikerin paßte sich an, ließ verlauten, daß Rußland kein strategischer Partner sei.

Kommentar Seite 2

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