© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/14 / 19. September 2014

Das Ideal der Ritter
Ausstellung: „Kaiser Maximilian I. und das höfische Turnier“ in Mannheim
Hans-Georg Meier-Stein

Der neu entflammten Begeisterung für das Mittelalter kommen zwei sehr interessante Sonderausstellungen zum Thema „Ritterliche Turniere“ entgegen, die derzeit in Mannheim und Schaffhausen/Schweiz zu sehen sind. Sie geben einen guten Eindruck in die Geschichte und Natur der Kampfspiele in der Zeit des späten Mittelalters und der Renaissance und leisten damit einen wichtigen Beitrag zum tieferen Verständnis der adeligen Kultur in dem geschichtlich reichen, weil wirtschaftlich sehr früh erschlossenen Lebensraum am Oberrhein, wo das Turnierwesen seine Blütezeit erlebte.

Die Ausstellung in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim legt den Schwerpunkt auf das höfische Turnier zur Zeit Kaiser Maximilians, den die Nachwelt den „letzten Ritter“ genannt hat. In der Geschichte des Turniers nimmt Maximilian zweifellos eine herausragende Stellung ein. Er war selbst ein passionierter Turnierreiter und -kämpfer und wollte mit den von ihm prachtvoll und verschwenderisch inszenierten Wettkämpfen seine kaiserliche Autorität, seine Macht, die Legitimität seiner Dynastie und seinen imperialen Anspruch zur Schau stellen. Er war als der „letzte Ritter“ tatsächlich der herausragende Repräsentant einer Aristokratie, die das moralische, ethische und ästhetische Ritter-Ideal ins Zentrum ihres gesellschaftlichen Lebens gerückt hat.

Turniere waren ein wesentlicher Bestandteil der höfischen Kultur und Gipfelpunkte adeliger Selbststilisierung. Das zeigen sehr eindrucksvoll die ausgestellten Bilder des „Freydal“, jenes aufwendig illustrierten, berühmten Turnierbuchs, das Maximilian in Auftrag gegeben hat.

Die Reiss-Engelhorn-Museen präsentieren Miniaturen aus dem Freydal: Leihgaben des Kunsthistorischen Museums Wien. Sie zeigen den Ablauf der Turniere, die Varianten und sogenannte „Mummereien“.

Der Kaiser tritt in allen dargestellten Wettkämpfen selbst auf. Seine Konkurrenten sind Mitglieder des Hochadels, die in persönlicher Abhängigkeit zu ihm standen. Loyalität stand in der mittelalterlichen Werthierarchie ganz oben. Mit seiner Selbstinszenierung will Maximilian sein Begehren nach ritterlichem Kampfstreben, seine Ehre, Tapferkeit, mutige Selbstaufgabe und seinen aristokratischen Stolz demonstrieren. Man liegt freilich nicht falsch, wenn man annimmt, daß Maximilians romantische Empfänglichkeit für das Rittertum und sein sentimentaler Ernst, der sich in der Verherrlichung der Rittertugenden und ruhmreichen Waffentaten bekundet, von den Traumabenteuern der Artus-Romane und der romantischen Ritter-Epik des Mittelalters angeregt war.

Der „Freydal“, wie der „Theuerdank“ und der „Weisskunig“ ein autobiographisches Werk, zeigt Maximilian auch als Gast exklusiver Kostümfeste, die der Verfeinerung höfischer Sitten, der Einübung und Ausbildung zeremonieller Haltung und fundamentaler Lebenskategorien und des adeligen Verhaltenskodes dienten, eben den „Mummereien“.

Die Ausstellung stellt ihn zudem als Förderer des Rüstungs- und Plattnerwesens und Kunstmäzen vor. Maximilian bewies damit seine außerordentliche propagandistische Begabung, denn auch die kunstvolle und dekorative Gestaltung des ganzen Rüstwerks war für ihn ein Mittel der Repräsentation.

Der Rüstkammer des Kunsthistorischen Museums ist es zu danken, daß in Mannheim reichlich Artefakte der Waffenschmiedekunst zu sehen sind. Harnische, Bruststücke, Kampf- und Rennhelme, Brechscheiben, Schilde, Stechzeug, Fecht- und Prunkschwerter, Lanzenstangen und eiserne Handschuhe, Dilgen zum Schutz der Beine und sogar martialisches Spielzeug für Knaben. All das wird in seiner waffentechnischen und ästhetischen Bedeutung ausführlich erklärt. Die Mannheimer Ausstellung zeigt, daß man all dem Rüstzeug eine edle Form und dem Wettkampf als einem romantisch-erotischen Spiel einen edlen Stil geben wollte.

Die große Ausstellung im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen bietet eine gute Ergänzung, denn das Thema ist hier umfassender angelegt und bezieht eine breite, gesellschaftlich vertiefte geschichtliche Betrachtung mit ein. Dabei wird das Turnierwesen als eine oberrheinische Besonderheit gesehen, die zwischen Bodensee und Bingen eigene Formen, Stilelemente und Wesenszüge ausgebildet hat.

Organisiert wurden die Turniere zunächst vom Hochadel, später auch von genossenschaftlichen Turniergesellschaften an Höfen oder in Städten. Kostbare Wappen- und Turnierbücher, wie sie in Schaffhausen zu sehen sind, beinhalten lange Namenslisten, die uns Auskunft geben über die hochgestellten Teilnehmer, die Teilnahmeberechtigung, die Strafverordnungen, die Turnierarten, Aufstellungen zur Schlacht und über heraldische Zeichen. Der Sinn dieser Wettkämpfe lag in der Wehrertüchtigung, der Übung der Geschicklichkeit und Perfektionierung der Reitkunst, in der Repräsentation, sozialen Distinktion und Ahnenprobe, natürlich auch in der Intensivierung des Wir-Gefühls einer Ritterschaft, die dem Gemeinwohl dient.

Die Ausstellung „Kaiser Maximilian I. und das höfische Turnier“ ist bis zum 9. November in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen, Zeughaus C5, täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 06 21 / 2 93 31 50, www.rem-mannheim.de

Foto: Turnierbuch Freydal, 1512–1515: In dieser Turnierszene, einem Rennen, fallen beide Kontrahenten aus dem Sattel und die Tartschen fliegen als „Show-Effekt“ in die Luft

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