© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/14 / 19. September 2014

Recherchepool verzerrt Wettbewerb
Die Kooperation von GEZ-Sendern mit privaten Verlagshäusern untergräbt die Unabhängigkeit der Presse
Ronald Berthold

Fast jeder hat es in den vergangenen Monaten schon einmal in den Nachrichten gehört: Nach „Angaben von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung“ sei etwas mehr oder weniger Wichtiges enthüllt worden. Die beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten und das Blatt aus München haben einen sogenannten Recherche-Verbund gegründet, den der ehemalige Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo leitet. An der Kooperation der mit Zwangsgebühren finanzierten Sender und der privat geführten SZ entzündet sich zunehmend Kritik – und die kommt aus der Branche selbst.

Gebührengelder für Zeitungen

Zunächst erscheint diese Zusammenarbeit paradox, denn einerseits klagt unter anderem der Süddeutsche Verlag, der die gleichnamige Zeitung herausgibt, gegen die Nachrichtenportale von ARD-Sendern und vom ZDF.

Der Vorwurf lautet sinngemäß, die Öffentlich-Rechtlichen griffen unzulässig mit ihren Gebührengeldern in den Printwettbewerb ein und machten den nur über Verkauf und Anzeigen finanzierten Produkten Konkurrenz. Andererseits jedoch arbeitet die Redaktion mit diesen Sendern zusammen, die die Ergebnisse dann kostenfrei auch auf ihren Webseiten publizieren.

Konkurrierende Verlage mutmaßen, der SZ sitze bei dieser bigotten Haltung das Hemd näher als die Hose, und sie wolle auch von der GEZ profitieren. Denn durch diese Kooperation werde sie indirekt subventioniert.

Bei einer Diskussion des „Netzwerkes Recherche“ äußerten der Leiter der Welt-Investigativ-Redaktion, Jörg Eigendorf, und der Verleger des Freitag, Jakob Augstein, massive Kritik an dieser zunächst auf drei Jahre vereinbarten Zusammenarbeit. Sie sehen eine Wettbewerbsverzerrung.

Augstein fragte sichtlich gereizt, wieviel Geld die SZ „jetzt spart, weil NDR und WDR mitbezahlen“. Er sieht sogar einen Verstoß gegen das Kartellrecht und beklagt die Vermischung von Staatsfernsehen und unabhängiger Presse. NDR-Intendant Lutz Marmor räumte ein, es könne durchaus sein, „daß wir die SZ subventionieren“. Aber darum gehe es ihm gar nicht.

Die Anstalt möchte offenbar vor allem die vermeintliche journalistische Kompetenz der Tageszeitung nutzen. Deren Redakteur Hans Leyendecker, der zum gemeinsamen Team gehört, genießt in der Branche einen exzellenten Ruf. Der 65jährige deckte 1982 die sogenannte Flick-Affäre auf, die zum Rücktritt des damaligen Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff führte. Er hatte auch einen maßgeblichen Anteil am Bekanntwerden der CDU-Spendenaffäre im Jahr 1999, in deren Folge Helmut Kohl den Ehrenvorsitz seiner Partei abgeben mußte.

Nicht jede Schlagzeile hält, was sie verspricht

Leyendecker bringt vor allem diesen guten Ruf mit. Bei einer Pressekonferenz des NDR im November, auf der der Sender die Mini-Serie „Geheimer Krieg“ präsentierte, saß er nur gelangweilt und ahnungslos herum. Seine Zeitung werde alles aufarbeiten, was im Fernsehen laufe, erklärte er lakonisch. Eigene Recherche sieht anders aus. Der Beitrag der SZ zu der Story über westliche Geheimdienste war allem Anschein nach gering.

Nicht jede Schlagzeile des Recherche-Verbundes ist so exklusivm, wie die Macher es zu suggerieren versuchen. Etwa die Meldung, daß die NSA vor Angela Merkels Handy auch das von Gerhard Schröder abgehört hat. Im Februar meldeten NDR und SZ dies. Jedoch: Bild am Sonntag hatte bereits Monate zuvor darüber berichtet. Der „Hammerscoop“ (Meedia) entpuppte sich als Kalter-Kaffe-Recherche. Ein PR-Gau, den die Branche mit Spott kommentierte.

Einen gemeinsamen Etat von SZ, NDR und WDR gebe es nicht, sagen die Beteiligten. Allerdings brauche es den aus Sicht der Kritiker auch nicht. Das Magazin Cicero unterstellt, „die Süddeutsche profitiert natürlich auch von nichtmonetären Vorteilen – etwa Recherchekapazitäten oder dem Zugriff auf den öffentlich-rechtlichen Korrespondentenpool“. Die Honorierung des Chefs des Recherche-Verbundes, Georg Mascolo, teilen sich Sender und Zeitung. Er hat jeweils einen Vertrag als fester freier Mitarbeiter.

Kooperationen zwischen Printmedien und öffentlich-rechtlichen Anstalten machen derweil Schule. Die Illustrierte ARD-Buffet – das monatliche Magazin zur erfolgreichen TV-Sendung weist im Impressum Burda als Herausgeber aus. Das – vom Umschlag abgesehen – weitgehend werbefreie Heft wirft Finanzierungsfragen auf. Es hat eine verkaufte Auflage von 144.000 Stück.

Auch die Wirtschaftswoche und das ZDF haben Ende August gemeinsam eine vermeintliche Enthüllungsgeschichte produziert. Dabei ging es um die Samwer-Brüder und deren Investitionen im Internet-Geschäft. Sie wurde in „Frontal 21“ ausgestrahlt. Inwieweit die beiden Medien ihre Zusammenarbeit institutionalisieren, ist noch nicht absehbar. Gegen punktuelle Zusammenarbeit haben allerdings auch die Kritiker Augstein und Eigendorf nichts einzuwenden. In einer Zeit schrumpfender Redaktionen wollen sich die beiden offenbar dieses Hintertürchen offenhalten. Denn die Öffentlich-Rechtlichen sind mit ihrem Personaltableau für einige an Schwindsucht leidende Printmedien ein starker Partner, den sie nur ungern von der Bettkante schubsen wollen.

Foto: Partner: Hans Leyendecker („SZ“) und John Goetz (NDR) bei der Präsentation der Serie „Geheimer Krieg“

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