© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/14 / 19. September 2014

Zeitungen gegen Trolle
Internetseiten: Zeitungen streichen Kommentarfunktion unter Artikeln / Der Zensurvorwurf trifft nicht immer zu
Ronald Gläser

Die FAZ hat vor einer Woche ein Großportrait über Uwe Ostertag veröffentlicht. Der Frührentner, der sich selbst als „Troll“ bezeichnet, bringt es am Tag auf bis zu 200 provokante Komentare im Internet, viele davon auf den Internetseiten von Zeitungen.

Leute wie er sind der Schrecken jedes Onlineredakteurs. Es ist sicher kein Zufall, daß das Portrait über den Mann gerade jetzt erschien. Wegen Leuten wie Ostertag schränken immer mehr Seiten ihre Kommentarfunktion ein. Eine entsprechende Ankündigung der Süddeutschen Zeitung hat für großen Ärger in der Netzgemeinde gesorgt. Auf süddeutsche.de war Anfang September unter der Überschrift „Lassen Sie uns diskutieren“ zu lesen, daß es künftig nur noch drei Themen pro Tag geben werde, die Nutzer kommentieren können. Sie müssen obendrein Mitglied eines sozialen Netzwerks sein.

Tatsache ist: Vieles, was im Netz leichtfertig abgesondert wird, ist unter der Gürtellinie. Trotzdem keimt bei vielen Nutzern der Verdacht, daß eine Debatte über bestimmte Themen unerwünscht ist. Das gilt nicht zuletzt für die FAZ, die keine Kommentare im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt mehr veröffentlichen will. Und oft posten Leser augenzwinkernd diesen Satz als Beleg für die allgegenwärtige Zensur: „Welt online hat die Kommentarfunktion für diesen Artikel geschlossen.“

Im Februar hatte Spiegel online gemeldet, daß der Deutsche Presserat Vorschriften für Leserbeiträge in Internetforen von Medien einführen will. Solche Beiträge seien wie Leserbriefe zu behandeln. Eine Arbeitsgruppe entwickele gerade entsprechende Änderungen des Regelwerks.

Eine Redaktion, die ihren Kommentarbereich präventiv schließt, umgeht natürlich mögliche Konsequenzen wie eine Rüge oder einen Hinweis durch den Presserat.

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