© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/14 / 26. September 2014

„Marsch für das Leben“
Widerspruch aushalten
Alexander Heimeran

Es ist zu einer weitverbreiteten Unsitte geworden, Andersdenkenden den Mund zu verbieten; sie nicht ausreden zu lassen, sie niederzubrüllen, vor allem sobald sie irgendwo – ohne genauere Definition – rechts der Mitte vermutet werden. Zuletzt war dieses unschöne Phänomen am vergangenen Samstag beim diesjährigen „Marsch für das Leben“ in Berlin zu beobachten. Warum löst eine friedliche Demonstration gegen Abtreibung, Euthanasie und Sterbehilfe solch ungezügelten, haßerfüllten Protest aus?

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Und: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Diese Bestimmungen des Grundgesetzes sind keine Frage der Weltanschauung. Keine Frage von rechtem oder linkem, säkularem oder christlichem Menschenbild. Sie sind für jeden Demokraten verbindlich. Ohne das Recht auf Leben sind alle anderen Grundrechte hinfällig.

Wer den Beginn des Lebens nicht biologisch, sondern bürokratisch mit dem Kalender festlegen möchte, muß Widerspruch aushalten. Er hat das Recht, wegzuhören. Er hat das Recht, seinerseits Argumente vorzutragen. Er hat das Recht, anderer Meinung zu sein. Er hat jedoch nicht das Recht, die freie Meinungsäußerung Andersdenkender zu verhindern.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen