© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/14 / 26. September 2014

Die Bayer AG trennt sich von ihrer Kunststoffsparte
Vorausschauend
Markus Brandstetter

Die Leverkusener Bayer AG hat angekündigt, bis 2016 ihre Kunststoffsparte als eigenständiges Unternehmen an die Börse bringen. Bayer will zukünftig den Schwerpunkt auf Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel legen, also das, was man heute „Life Science“ nennt. Daß ein Großkonzern einen Teil seines Geschäftes in eine eigene Gesellschaft verlagert und diese dann an die Börse bringt, ist nichts Außergewöhnliches. Die BASF hat ebenfalls ihre einstige Tochter Kali und Salz AG 1999 aus dem Konzern ausgegliedert und an die Börse gebracht. Ein Jahr später schleuste der Ludwigshafener Konzern seine Aktivitäten auf dem Gebiet der Standardkunststoffe in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Shell, das heute unter dem Namen Lyondellbasell weltweit das drittgrößte Chemieunternehmen darstellt. Sowohl Kali und Salz als auch Lyondellbasell haben sich zu profitablen und eigenständig erfolgreichen Unternehmen entwickelt.

Die Auslagerung einer Unternehmenssparte kann durchaus sinnvoll sein, nur warum – fragt sich der Beobachter des Börsenparketts im Falle Bayers – kommt diese Umstrukturierung jetzt und was sind die wahren Ursachen dafür. Der vom Unternehmen angegebene Grund, daß die Kunststoffe, die bei Bayer „MaterialScience“ heißen, einen eigenen Zugang zum Kapitalmarkt haben sollen, wird es allein nicht sein. 70 Prozent des Umsatzes von Bayer – 2013 rund 28 Milliarden Euro – und stolze 88 Prozent des bereinigten Gewinnes vor Steuern und Abschreibungen kommen bei den Leverkusenern heute schon aus den Bereichen Pharmaka und Pflanzenschutzmittel. Das heißt: Die Kunststoffsparte ist wohl profitabel, aber reich macht sie den Konzern und seine Aktionäre schon lange nicht mehr. Sie erwirtschaftet ein Drittel des Umsatzes, aber nur ein Zehntel des Gewinnes, Tendenz weiter fallend. Bayer dürfte die Kunststoffe wohl hauptsächlich aus dem Konzern ausgliedern wollen, damit sie der restlichen Bayer AG nicht Jahr für Jahr die Suppe versalzen und dem fünfjährigen Höhenflug der Aktie ein vorzeitiges Ende bescheren.

Die Konzernstrategen wissen natürlich nur allzu gut, daß der Kunststoffmarkt ein alter Markt mit tendenziell sinkenden Renditen ist, der noch dazu an der Weltkonjunktur und insbesondere an der Autoindustrie und der Baukonjunktur hängt. Da letztere überdurchschnittlich mit China verbunden sind, dessen Wirtschaftswachstum aber seit Jahren schwächelt, kann man die Nachrichten aus Leverkusen auch als einen überaus geschickten und intelligenten Schachzug interpretieren. Auch wenn zukünftig die in guten Jahren anfallenden Beiträge zum Ergebnis aus der Kunststoffsparte ausbleiben werden, schützt die Ausgliederung vor den Verlusten schlechter Jahre. Dadurch steigt unterm Strich die Kapitalrendite des Gesamtkonzerns, was der entscheidende Faktor in der Bewertung der Aktie ist.

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