© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/14 / 26. September 2014

CD-Kritik: Scriabin
Splitter, schwebend
Jens Knorr

Im nächsten Jahr jährt sich der Todestag des russischen Komponisten, Pianisten und Visionärs Alexander Nikolajewitsch Scriabin (1872–1915) zum hundertsten Mal. In diesem hat der indischstämmige Pianist Pervez Mody die vierte Folge seiner Einspielung von Scriabins Klavierwerk vorgelegt. Sie enthält Werke aus einer Schaffenszeit von 1895 bis 1913: neben den Klaviersonaten Nr. 3 und Nr. 10 – die Triller- oder „Insektensonate“ –, die Préludes op. 13 und 22, die Impromptus op. 14, die Morceaux op. 49, die Poèmes op. 63 und 69 und die Etudes op. 65.

Nun ist die Tücke von Gesamteinspielungen, daß das Streben nach Vollständigkeit zu Nivellierung im Detail führen kann. Nicht so im Spiel von Mody. Ist es Spekulation, Herkommen des Pianisten und Hinwollen seines Komponisten aufeinander zu beziehen? Immerhin wollte dieser „La Mystère“ am Fuße des Himalaja aufgeführt wissen. Was Scriabin und seine Sinnsuche zwischen Blavatzky und Plechanow, Romantik und Moderne, erweiterter Tonalität und Prometheus-Akkord angeht, gehört ja Spekulation durchaus zur Berufung.

Scriabins Musik – das ist die Supernova der Romantik. Mody nimmt die großen und kleinen Stücke als auseinanderfliegende, schwebende Splitter eines Gesamtkunstwerks, das sich aus ihnen nie hätte bruchlos zusammenfügen lassen.

Pervez Mody plays Scriabin Vol. 4 Thorofon, 2014 www.bella-mucia-edition.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen