© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/14 / 26. September 2014

Auf Unterhaltung fixiert
Studie: Die öffentlich-rechtlichen Sender verstoßen gegen ihren Bildungs- und Informationsauftrag
Lion Edler

Die ARD sendet an einem normalen Werktag bis zu acht Folgen von Unterhaltungsserien wie „Sturm der Liebe“ und „Rote Rosen“ oder ihrer Zoo-Dokus. Und an den Abenden wechseln sich Ratesendungen wie „Hirschhausens Quiz des Menschen“ und Krimis mit Informationsprogrammen ab. Am Wochenende ist es noch unterhaltsamer.

Norbert Lammert (CDU) ist kein Freund dieser Programmgestaltung. 2009 kritisierte der Bundestagspräsident das öffentlich-rechtliche Fernsehen und seinen Umgang mit dem sogenannten Bildungsauftrag. Denn anstatt die konstituierende Sitzung des Parlaments zu übertragen, liefen im Hauptprogramm Sendungen wie „Schaumküsse“, „Alisa – Folge deinem Herzen“ und „Bianca – Wege zum Glück“. Ihm fehle „jedes Verständnis dafür, daß ein gebührenpflichtiges Fernsehen, das dieses üppig dotierte Privileg allein seinem besonderen Informationsauftrag verdankt, auch an einem Tag wie heute mit einer souveränen Sturheit der Unterhaltung Vorrang vor der Information einräumt“, beschwerte sich Lammert.

Einordnung der Sendungen ist nicht immer eindeutig

Auch nach Abzug der Punkte für die gekränkte Eitelkeit des Berufspolitikers trifft Lammert noch immer den wunden Punkt der GEZ-Sender: ihre Fixierung auf das Unterhaltungsprogramm. Diese ist nunmehr statistisch nachgewiesen. Benjamin Buchwald und Alexander Fink haben das Programm von ARD- und ZDF-Sendungen während einer ganzen Woche untersucht – und sehen Lammerts Kritik untermauert. Demnach verteilten sich die Programminhalte der ARD vom 15. bis 21. August dieses Jahres zu 55 Prozent auf Unterhaltung, zu 31 Prozent auf Information und zu 14 Prozent auf Bildung.

Ähnliche Zahlen ergaben sich für das ZDF. Nun ist es Auslegungssache, in welcher Rubrik eine Fernsehsendung eingeordnet wird. Die Autoren sind „wohlwollend“ zugunsten von ARD und ZDF vorgegangen. So haben sie etwa die Sendungen „Die Maschen der Handwerker“, „Elefant, Tiger & Co.“ oder „Büffelranch“ in der Untersuchung unter Bildung subsumiert; die Übertragung der Ziehung der Lottozahlen und Boulevardmagazine wie „Hallo Deutschland“ oder „Brisant“ zählten sie als Information.

In Online-Foren wird über die Auswertung diskutiert, wobei neben Zustimmung auch Kritikpunkte vorgebracht werden. Kommentatoren weisen darauf hin, daß die ARD mit dem Sender ARD-alpha über einen eigenen Bildungskanal verfüge, was von Fink und Buchwald bei der Datenerhebung nicht berücksichtigt worden sei. So sei denn auch die Konstituierung des 17. Bundestags immerhin auf Phoenix übertragen worden, schreibt ein Nutzer in einer Diskussion im Kommentarbereich des Magazins Novo Argumente. Zudem, so ein anderer Kritiker, sei die Studie von vornherein darauf aus, „das bereits feststehende (Vor-)Urteil des Autors zu bestätigen“. In der Tat machen die Autoren keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen ARD und ZDF: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen werde „durch die Bürger zwangsfinanziert“, dabei seien „staatliches Fernsehen und staatlicher Rundfunk ebenso unnötig“ wie „staatlich finanzierte journalistische Beiträge offline und online in Zeitungen, Zeitschriften, Blogs und Video-Blogs“.

Fazit: Trotz der Mängel weist die Studie nach, wie ARD und ZDF ihre Stellung mißbrauchen, um den Konsumenten mit Unterhaltungssendungen zu berieseln. Da nützt auch keine Übertragung der Bundestagskonstituierung auf Phoenix, wenn die Masse der Zuschauer sich nun einmal nicht auf Phoenix, sondern auf ARD und ZDF konzentriert. Vielleicht können Fink und Buchwald mit ihrer Untersuchung einen Anstoß geben zu einer ausführlicheren Studie.

Die Aufklärung der Konsumenten wäre jedenfalls lohnenswert – schon allein bezüglich der Finanzen: Das ZDF hat inzwischen eine – teilweise ungenaue – Auflistung der Kosten seines Fernsehprogramms veröffentlicht. Demnach kostete der Mehrteiler „Das Adlon“ etwa 2,6 Millionen Euro pro Jahr – eine 30 bis 60 Minuten lange Unterhaltungssendung wie „Heute-Show“ oder „Pelzig hält sich“ schlägt mit jeweils 210.000 Euro pro Folge zu Buche. Eine Vorabendserie wie „Soko“ kostet sogar 400.000 Euro pro 45 Minuten. Die „Demokratieabgabe“ macht keine halben Sachen.

Benjamin Buchwald und Alexander Fink: „Öffentlich-rechtliche Sender: Mord, Liebe, Ärzte und Tiere.“ Studie des Institute for Research in Economis and Fiscal Issues

http://de.irefeurope.org/

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