© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/14 / 03. Oktober 2014

Lesereinspruch

Überholtes Stereotyp

Zu: „Die Temperamente der Völker – Von der Empirie bestätigt“ von Andreas Vonderach (JF 40/14)

Als Sinologe und Historiker (Forschung und Lehre) befasse ich mich seit Jahren mit dem Thema Gewalt und Aggression in China.

Kein Stereotyp zu China behauptet sich so sehr gegen den historiographischen wie soziologischen Forschungsstand wie das vom friedfertigen, auf Harmonie bedachten Verhalten seiner Bewohner; auch hier, da Vonderach unterstellt, in Chinas Bevölkerung sei die Monoaminooxidase-A (warrior gene), eines der neurobiologischen Indizien für aggressive Verhaltensformen, absent.

Dutzende Studien bestätigen die Existenz dieses Gens unter männlichen Chinesen. Eine 2002 veröffentlichte Studie weist ihnen mit 77 Prozent den absoluten Spitzenplatz zu (Kaukasier 35 Prozent, Afrikaner 59 Prozent). Das überrascht nicht.

Spätestens seit dem 14. Jahrhundert war Chinas Alltagswirklichkeit von vielerlei Formen sanktionierter und illegitimer Gewalt durchdrungen. Anders als im Westen hat sich daran bis heute wenig geändert.

Prof. Dr. Raimund Th. Kolb, Basel / Schweiz

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