© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/14 / 03. Oktober 2014

„Die AfD als Partner der Union“
Seit einigen Wochen regt sich Widerstand in der Seehofer-CSU: Aktivisten um den Basispolitiker David Bendels haben im Sommer die Initiative „Konservativer Aufbruch“ gegründet. Nun sorgen sie mit der Forderung nach einer neuen AfD-Strategie der CSU für Furore.
Moritz Schwarz

Herr Bendels, sind Sie die „Pro-AfD-Front in der Union“, von der die Presse berichtet?

Bendels: Nein, wir sind keine „AfD-Fraktion“, falls Sie das meinen. Wir sind eine Basisbewegung, die zum Wohle unserer CSU handelt. Aber wir kritisieren die „AfD-Strategie“ der Union.

Inwiefern?

Bendels: Die Unionsspitzen haben angesichts der Herausforderung durch die AfD den Kopf in den Sand gesteckt und verweigern jedwede argumentative Auseinandersetzung. Spätestens deren Erfolge zeigen aber, daß diese Strategie falsch ist. Die Bürger haben Gründe dafür, die AfD gewählt zu haben. Mit diesen Gründen, und deshalb auch mit der AfD, muß sich die Union daher auseinandersetzen.

Aber bei der AfD handelt es sich laut führenden Unionspolitikern um eine Partei am Rande der Verfassung. Wolfgang Schäuble hat diesbezüglich gerade kräftig nachgelegt.

Bendels: Der AfD wird mitunter gerne Populismus vorgeworfen. Ich würde sagen, daß eher dieser Vorwurf höchst populistisch ist!

Bei den Republikanern ist die Strategie der Stigmatisierung aufgegangen. Warum sollte dies bei der AfD nicht gelingen?

Bendels: Weil anders als bei den Republikanern in der AfD in hohem Maße Profis am Werk sind. Deshalb überzeugt auch der Vergleich mit den Piraten nicht, den etwa Peter Tauber gerne zieht – die AfD werde sich ebenfalls bald selbst erledigen. Nein, das ist keine Chaostruppe. Vielmehr sehe ich die AfD auf dem Weg, fester Bestandteil der Parteienlandschaft zu werden. Man muß sich mit dieser Partei argumentativ auseinandersetzen!

Die Kanzlerin empfiehlt „gute Regierungsarbeit“ als bestes Mittel gegen die AfD.

Bendels: Über diesen Satz habe ich mich sehr gewundert, denn dann bewiesen die AfD-Erfolge ja, daß die Regierung bisher keine „gute Arbeit“ gemacht hat. Die Aussage der Kanzlerin klingt für mich also eher nach Ratlosigkeit.

Ihre Initiative fordert gar, Koalitionen mit der AfD nicht auszuschließen.

Bendels: Die AfD ist eine demokratische Partei mit konservativen Ansätzen. Natürlich abhängig von ihrer weiteren Entwicklung, könnte dieser Konkurrent künftig – wie früher die FDP – auch zu einem Partner für uns werden.

Unlängst ist die Führung Ihres „Konservativen Aufbruchs“ von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer zum Gespräch empfangen worden. Drohen Ihre AfD-Forderungen nicht, diese Harmonie nun zu zerstören?

Bendels: Zwar hatten wir eine konstruktive Gesprächsatmosphäre – von „Harmonie“ würde ich aber nicht sprechen. Unsere Initiative will den Finger in die Wunde legen! Dazu gehört auch, deutlich zu sagen, daß wir Andreas Scheuers AfD-Strategie für falsch halten.

Anders als die „Merkel-CDU“ will Scheuer, daß die CSU sich der AfD in der politischen Auseinandersetzung stellt.

Bendels: Das begrüßen wir. Aber gleichzeitig stellt er die AfD als Schmuddelkinder dar und zeigt damit, daß er sie und folglich die Bürger, die sie gewählt haben, nicht wirklich ernst nimmt. So gewinnt man diese Wähler nicht zurück. Im Gegenteil, so verprellt man sie noch mehr. Gelingen kann das nur, wenn wir zeigen, daß wir uns mit dem Votum dieser Wähler ernsthaft auseinandersetzen.

Horst Seehofer hat unlängst durchaus anerkennende Worte für die AfD gefunden. Wie paßt das zu Scheuers Linie?

Bendels: Gar nicht. Da sehen Sie, wie disparat die AfD-Strategie der CSU ist.

Wie ist die interne Stimmung gegenüber der AfD in der Union tatsächlich?

Bendels: Ich kann da nur für die CSU sprechen: Eindeutig sind sowohl die CSU-Basis als auch viele Angehörige der Parteiführung der AfD gegenüber nicht so negativ eingestellt, wie es öffentlich verlautbart wird. Ich glaube sogar einen gewissen Neid in der CSU zu verspüren, weil die AfD sich traut, Probleme anzusprechen, die früher einmal auch unsere CSU zu thematisieren gewagt hat. Sprich, der bayerische Löwe sollte mal wieder brüllen, anstatt nur zu miauen!

Dafür will sich Ihr „Konservativer Aufbruch“ einsetzen.

Bendels: Richtig, denn gerade die AfD-Erfolge zeigen, daß die Union viele konservative Wähler nicht mehr erreicht. Deshalb braucht sie einen Kurswechsel: Weg von der linkslastigen, zeitgeisthörigen Beliebigkeit! Speziell der linkslastige Abwärtstrend der CSU muß aufhören. Dafür kämpfen wir!

Aber warum Koalitionen mit der AfD?

Bendels: Es ist in einer Demokratie nicht angezeigt, Koalitionen zwischen demokratischen Parteien kategorisch auszuschließen. Zum einen verringert das die eigenen Optionen, zum anderen schadet es dem Allgemeinwohl. Das Votum der Wähler ist zu respektieren, nicht zu bekämpfen.

Ziel der CSU ist es allerdings traditionell, alleine zu regieren, nicht mit Hilfe anderer.

Bendels: Das stimmt und natürlich würde ich eine CSU-Alleinregierung einer CSU/AfD-Koalition in Bayern jederzeit vorziehen. Bayern ist aber nicht überall, und es ist in den meisten deutschen Ländern ziemlich illusorisch, auf eine CDU-Alleinregierung zu hoffen. Allerdings gelingt uns auch in Bayern nur dann die Rückkehr zur Alleinregierung, wenn wir die CSU vom Kopf wieder auf die Füße stellen. Und das heißt, sich mit den Sorgen und Nöten der Bürger auseinanderzusetzen – sonst wird die AfD dies tun. Das wiederum heißt, die AfD und ihre Inhalte ernst zu nehmen und den Bürger auf diese Weise zu überzeugen, daß die CSU für ihn wieder oder weiterhin die richtige Wahl ist.

Mit neun Prozent sitzen bereits die „Freien Wähler“ im Bayerischen Landtag. Betrachten Sie diese ebenfalls als ein Symptom der Konservatismus-Krise der CSU?

Bendels: Bei den „Freien Wählern“ sehe ich andere Inhalte als ausschlaggebend, da ging es vor allem um kommunale und lokale Fragen. Allerdings sehe ich hier das gleich Grundproblem: Auch die Freien Wähler sind überwiegend Fleisch vom Fleische der CSU: Bürger, die der CSU den Rücken gekehrt haben, weil diese ihren kommunalpolitischen Markenkern vernachlässigt hat. Wenn wir das nun auch noch bei unserem konservativen Markenkern tun, dann prophezeie ich, daß sich neben den „Freien Wählern“ auch noch die AfD in Bayern festsetzen wird. Und dann ist, wie Markus Söder richtig erkannt hat, nicht nur die Fünfzig-Prozent-Marke, sondern sogar die Vierzig-Prozent-Marke dauerhaft in Gefahr! Dies müssen wir verhindern.

In der Union hat es etliche Versuche gegeben, konservative Zirkel zu etablieren: Vom „Christlich-konservativen Deutschlandforum“ über die „Aktion Linkstrend stoppen“ und den „Berliner Kreis“ bis hin zum „Arbeitskreis Engagierter Katholiken“ beziehungsweise den „Christsozialen Katholiken“. Keinem dieser Unternehmen war Erfolg beschieden, warum soll das beim „Konservativen Aufbruch“ anders sein?

Bendels: Ich möchte nicht übertreiben, aber wir haben bereits mehrere tausend Unterstützer und bekommen täglich etwa an die hundert weitere E-Mails von CSU-Mitgliedern, die uns bestärken. Unsere Initiative gewinnt an Bedeutung und Einfluß innerhalb der CSU.

Der „Berliner Kreis“ wurde von der CDU-Führung auf informellem Wege regelrecht kaputtgemacht, indem der Gruppe die Institutionalisierung verwehrt und den Mitgliedern gedroht wurde, in der Partei nichts mehr werden zu können, worauf etliche den Kreis verlassen haben. Müssen Sie nicht ebenfalls fürchten, unterschwelligen Zersetzungsmaßnahmen durch die Parteiführung zum Opfer zu fallen?

Bendels: Das glaube ich nicht, denn dazu – das hat die CSU-Führung bereits erkannt – sind wir schon zu groß. Ich glaube, es hat sich in der CSU-Führung die Einsicht durchgesetzt, daß man sich mit uns arrangieren muß.

Noch hat der „Konservative Aufbruch“ keine feste Form, so daß es kaum möglich ist, nachzuprüfen, wie viele Unterstützer Sie tatsächlich haben.

Bendels: Wir sind gar nicht so sicher, ob wir wirklich feste Strukturen haben wollen. Denn, werden wir zu einem anerkannten Arbeitskreis in der CSU, wären wir der Parteiräson in viel höherem Maße unterworfen, als wir das als unabhängige Basisbewegung sind.

Das heißt?

Bendels: Daß wir selbst noch darüber nachdenken, welche formale Gestalt unsere Initiative letztlich haben soll.

Angeblich haben Sie auch schon einige prominente Unterstützer. Nur Namen nennen wollen Sie keine. Warum nicht?

Bendels: Weil wir eine Basisbewegung sind, und ich betrachte es sogar als Vorteil, daß wir bisher keine Großkopferten präsentiert haben. Das würde uns zwar kurzfristig mediale Aufmerksamkeit sichern, hätte aber auch etliche Nachteile. Zum Beispiel, daß Großkopferte oft viel abhängiger von der Parteiführung sind als die Basis, schließlich wollen die meisten von ihnen weiter aufsteigen. Beispiel „Berliner Kreis“: Sie haben selbst ausgeführt, daß dieser auch dadurch maßgeblich geschwächt wurde, daß die CDU-Führung den Promis dort mit Liebesentzug drohen konnte.

Peter Gauweiler wäre doch der passende Patron für Sie – der ist auch unabhängig.

Bendels: Schnell wären wir dann in der Wahrnehmung eine Peter-Gauweiler-Bewegung statt eine Basisbewegung. Natürlich, wir werden künftig auch Parteiprominenz präsentieren, auch wenn ich Ihnen noch keine Namen verrate. Aber wir werden sie nicht in den Vordergrund stellen. Nicht zuletzt lenken Großkopferte nämlich von Inhalten ab. Denn dann geht es auch um Personalfragen. Gerade das aber wollen wir nicht. Wir sind auch kein Anti-Seehofer-Bündnis, wie manche meinen.

Seehofer steht allerdings für Opportunismus, nicht für Konservatismus.

Bendels: Da muß ich leider zustimmen. Dennoch, wir wollen niemanden stürzen, sondern den Kurs korrigieren.

Das ist nicht schlüssig.

Bendels: Doch, das ist sehr schlüssig, denn: Werfen wir Personalfragen auf, werden diese die inhaltliche Debatte überdecken. Wir setzen auf Einsicht!

Als Horst Seehofer 2013 den Doppelpaß initiiert hat, gab es keinen Aufschrei an der Basis. Sind Sie sicher, daß es überhaupt noch genug Konservative in der CSU gibt?

Bendels: Es stimmt, damals blieb erstaunlicherweise ein großer Aufschrei aus. Ich glaube aber, das lag daran, daß viele Konservative in der CSU bereits resigniert hatten und kein Sprachrohr für ihren Protest gefunden haben. Das hat sich mit Gründung unserer Initiative nun geändert, und der Zuspruch ist beträchtlich. Ich bin sehr zuversichtlich, daß wir unser Versprechen eines konservativen Aufbruchs für die CSU in Zukunft wahr machen werden!

 

David Bendels, ist einer von vier Sprechern der Gruppierung „Konservativer Aufbruch! CSU-Basisbewegung für Werte und Freiheit“. Der 1985 in Duisburg geborene Politologe und Doktorand war zunächst CDU-Mitglied in NRW, verließ die Partei jedoch aus Enttäuschung über die Aufgabe konservativer Positionen in der Ära Merkel. Mit seinem Umzug nach Oberfranken 2011 wurde er Mitglied der CSU und war 2013/14 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Europaabgeordneten und Franz-Josef-Strauß-Tochter Monika Hohlmeier. Am 14. Juni gründete er in Nürnberg gemeinsam mit etwa dreißig weiteren „CSU-Rebellen“ (Bild-Zeitung) den „Konservativen Aufbruch“ (Logo rechts), der die „Ausgrenzung konservativer und wirtschaftsliberaler Positionen“ beenden will, wie es in dem Gründungsmanifest heißt.

Foto: Liebäugeln: „Ich glaube einen gewissen Neid in der CSU zu verspüren, weil die AfD sich traut, Probleme anzusprechen, die sich früher auch unsere Partei zu thematisieren gewagt hat.“

 

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