© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/14 / 03. Oktober 2014

Geiz war geil
Media Markt: Das Internet setzt den stationären Elektronikhandel unter Druck / Der Branchenprimus will On- und Offline-Welt verbinden
Markus Brandstetter

Ich bin doch nicht blöd“ und „Geiz ist geil“ – die Werbewirtschaft hat ganze Arbeit geleistet, um ihre Botschaft in den Konsumentenhirnen zu verankern. Ganz Deutschland kennt die Elektronikkette Media Markt, die bis heute den Handel mit Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräten dominiert. Die Media-Saturn-Holding, wie die Muttergesellschaft heißt, beschäftigt weltweit 65.000 Mitarbeiter. Sie erwirtschafteten 2013 einen Jahresumsatz von 21 Millirden Euro. Der Konzern betreibt 750 Märkte in 14 Ländern, 258 davon stehen in Deutschland, nach wie vor das Hauptstandbein der Handelsgruppe.

„Die alten Erfolgsrezepte greifen nicht mehr“

Doch der Koloß wankt: Trotz guter Konjunktur – höchster Beschäftigungsstand seit 1972 und Kauflaune, – schrieb Media Markt im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2013/14 einen Verlust von 269 Millionen Euro. Die bittere Wahrheit: Bei Media Markt kaufen immer weniger Leute ein. Sie blättern in den Werbeprospekten und lachen über die lustigen Sprüche, kommen auch nach wie vor in die Märkte und schauen sich die Fernseher, Handys und Stereoanlagen, die Waschmaschinen, Espressoautomaten und die Blu-ray-Player dort an – nur kaufen sie dann immer öfter im Internet. „Beratungsdiebstahl“ nennt das die Branche. Beraten werden wollen die Kunden aber offenbar nicht mehr.

Die Konkurrenz aus dem Internet setzt Media Markt dermaßen zu, daß Wolfgang Kirsch, der Chef von Media-Saturn Deutschland, in der Süddeutschen Zeitung davon sprach, daß sich das Unternehmen neu „erfinden“ müsse: „Die alten Erfolgsrezepte greifen nicht mehr.“ Wo die bewährte Masche vom kleinen Preis auf großer Fläche nicht mehr greift, soll nun eine „Multi-Channel-Strategie“ die Wende bringen: „Bei der Konzeption unseres neuen Markts sind wir von der Leitidee ausgegangen, neue Wege zu finden, die Online- und Offline-Welt zu einem neuen Einkaufserlebnis zu verbinden, das die anspruchsvollen Kunden von heute wirklich begeistert und Vergnügen schafft“, sagte Kirsch bei der Eröffnung im bayerischen Ingolstadt. Der Clou an dem neuen Markt auf 3.400 Quadratmetern Verkaufsfläche ist ein „Drive-in“, zu dem der Kunde mit seinem Auto vorfahren kann. Im Unterschied zum Vorbild und Ideengeber McDonalds wird der Kunde bei Media Markt nicht Cola, Burger und Pommes frites abholen, sondern Handys, Fernseher und Waschmaschinen, die er zuvor im Internet bestellt hat.

Bisher hat sich Media Markt mit dem Internet und dem Verkauf per Mausklick eher schwergetan, weil die Symbiose aus Riesenmarkt, großem Parkplatz, breitem Angebot, knackiger Werbung und attraktiven Preisen zu sehr in der DNA des Unternehmens programmiert war. Daß der erste befahrbare Warenausgabe-Schalter nun in Ingolstadt entstand, wo Erich und Helga Kellerhals 1963 ihr erstes Geschäft, die Keimzelle der Media-Markt-Kette, eröffneten, hat durchaus Signalwirkung.

Media Markt soll „emotionaler, attraktiver, innovativer“ werden, wünschen sich die Konzernstrategen. Sie wollen den Kunden „ein bequemes Switchen zwischen On- und Offline-Welt“ ermöglichen: durch großflächige „Tisch-Touch-Bildschirme“, die akutelle Smartphones, Tablets und die dazugehörigen Tarifverträge anzeigen; eine „Online-Shoppingwall“, die einen Überblick über das gesamte Warensortiment bietet; digitale Wegweiser; elektronische Preisschilder, Mitarbeitertafeln, Ladestationen für E-Fahrräder, Mobiltelefone sowie Terminals für e-Flyer und Kundenmeinungen.

Es ist mehr als fraglich, ob dieser Katalog an Veränderungen, den man wohl kaum als eine Vision bezeichnen kann, gegen die geballte Feuerkraft von Amazon und Co. ausreichen wird. Kein Internetkunde, der sich einen Flachbildschirm kostenlos an die Haustür liefern und in der Wohnung auch noch anschließen lassen kann, fährt beim „Drive-in“ von Media Markt vor, packt das Gerät eigenhändig in den Kofferraum, um es zu Hause wieder ausladen, aufstellen, anschließen und schließlich die Verpackung entsorgen zu müssen.

Die Neuaufstellung gefährdet zudem der juristische Kleinkrieg unter den Eigentümern der Media-Saturn-Holding. Helga und Erich Kellerhals, die Gründer von Media Markt, sind heute über eine Investmentgesellschaft nur noch mit 21,62 Prozent an der Holding beteiligt, während der Rest von der Düsseldorfer Metro AG kontrolliert wird. Gegen seine Kaltstellung klagt Kellerhals seit Jahren erfolglos, was bei den Aktionären der Metro AG für Unruhe sorgt.

www.mediamarkt.de

Foto: Warenausgabe für Online-Kunden: Media Markt tut sich schwer damit, die Angriffe von Amazon und Co. auf die eigenen Marktanteile zu parieren

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen