© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/14 / 03. Oktober 2014

In der Höhle des Löwen
Henryk M. Broder vermiest der EU-Lobby den Abend
Henning Hoffgaard

Henryk M. Broder steht auf dem Podium und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Die Befreiung vom Faschismus gelingt erst, wenn wir überall Klimaanlagen haben“, sagt er und lächelt verschmitzt. Das Publikum ist entsetzt. Viele Freunde hat der Welt-Journalist im Europäischen Haus unweit des Brandenburger Tors in Berlin nicht. Neue kamen an diesem Abend sicherlich auch nicht dazu. Der EU-Lobbyverein Europa-Union Deutschlands zeichnete Broder in der vergangenen Woche mit dem Schmähpreis „Euro-Distel“ aus. Genaugenommen für die „unsachliche und polemische Europakritik“ in seinem Buch „Die letzten Tage Europas“.

„Ich dachte, der Preis kommt von der FDJ“

Wer nun gehofft hatte, der Publizist ließe sich in der Höhle des Löwen vorführen, sieht sich allerdings schnell enttäuscht. Schon die vom Grünen-Bundestagsabgeordneten Manuel Sarrazin gehaltene Laudatio auf Broder macht klar, wer den Ton angibt. Konziliant sagt Sarrazin: „Auch Sie sagen, die Grundidee der EU sei gut.“ Broder erwidert trocken, das sei beim Sozialismus auch so gewesen. Als der 68jährige dann seine Rede hält, wird es still im Raum. „Als ich die Begründung für die Preisverleihung gelesen habe, dachte ich, ich werde von der FDJ ausgezeichnet.“ Das aufkommende Lachen klingt gequält. „Keiner von Ihnen kann mir eine Vorschrift zeigen, daß Kritik unpolemisch und sachlich sein muß.“ Auf den Vorwurf angesprochen, warum er die EU nur kritisiere, sagt Broder: „Ich kann kein Ei legen, aber ich weiß, wann eines faul ist.“ Kritik müsse „immer auch zersetzend sein“. Genüßlich wartet er auf eine Reaktion, um den Zuhörern dann einen weiteren Stoß zu verpassen. „Europa hat viel überstanden, es wird auch die EU überstehen.“ Damit wäre eigentlich alles gesagt. Eigentlich. Nun betritt Elmar Brok die Bühne. Ein Mann, der gefühlt länger im EU-Parlament sitzt, als es diese Institution überhaupt gibt. Dem CDU-Politiker ist deutlich anzumerken, wem er besonders gerne zuhört: sich selbst. Als Brok die Schweiz für ihr „fremdenfeindliches“ Referendum zur Einschränkung der Freizügigkeit beschimpft, platzt Broder der Kragen. „Den Schweizern Rassismus vorzuwerfen ist Demagogie der übelsten Sorte“, ruft er. Brok blickt hilflos in den Saal. „Ich rede mit dem Publikum, nicht mit Ihnen.“ Der Publizist setzt nach: „Sie erzählen Märchen.“ Die Stimmung der EU-Lobbyisten ist am Tiefpunkt. Broder dagegen verschwindet nach der Veranstaltung mit einem Grinsen auf dem Gesicht.

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