© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/14 / 03. Oktober 2014

Die Welt des Hinterhalts
Der Kriegsreporter Dittmar Hack blickt zurück auf die Konfl ikte von Rhodesien über Afghanistan bis in den Kosovo
Andreas Graudin

Dittmar Hack ist Kriegsberichterstatter alter Schule, er stellt nicht Bilder weit hinter der Front nach, sondern sucht die vorderste Linie. Solch Engagement ist festangestellten Reporterkollegen heute schon aus arbeits- und versicherungsrechtlichen Gründen verwehrt. Dittmar Hack war und ist freischaffend und man tritt ihm nicht zu nahe, ihn als Abenteurer zu titulieren.

Während sein heutiges Leben anscheinend in vergleichsweise ruhigen Bahnen verläuft, waren die späten siebziger und die achtziger Jahre seine „wilde Zeit“. Nach zwei Jahren Bundeswehr und auf Afrikatour mit dem Motorrad schließt er sich für ein Jahr der legendären rhodesischen Armee in ihrem einsamen Buschkrieg an. Mit exklusiven Bildern von Kriegsschauplätzen in Asien, Afrika und Lateinamerika, die schon damals aus Deutschland höchstens noch Peter Scholl-Latour aufsuchte, bestritt Hack danach seinen Lebensunterhalt. Im Rückblick war Hack Augenzeuge des Niedergangs der Sowjetunion als Weltmacht und der vielen Stellvertreterkriege zwischen Ost- und West.

Die Mudschaheddin führten Krieg gegen „Ungläubige“

Mit der Kamera begleitete Hack Mudschahedin in Afghanistan in den Kampf gegen die Sowjets. Dabei verwischen die Grenzen zwischen Kriegsberichter und Krieger. Die mehrfachen Afghanistanreportagen dokumentieren die zunehmend bessere Bewaffnung der islamischen Krieger. Zunächst nur alte Karabiner, dann die Kalaschnikows und Granatwerfer schließlich Stinger-Boden-Luft-Raketen, mit denen die Afghanen die sowjetische Luftüberlegenheit brachen. Schon damals führten die Mudschaheddin nicht Krieg gegen die Sowjets und ihre Marionetten, sondern gegen die „Ungläubigen“. Das nahm allerdings im Westen nur noch niemand ernst. Noch war von Koranschülern, den Taliban, keine Rede, aber Hack berichtet von Begegnungen mit feindseligen Gotteskriegern, die sich zu Tausenden in Afghanistan vor dem Abzug der Sowjets tummelten und zwischen westlichen Journalisten und Russen wenig Unterschiede machten. Vor einer speziellen Gruppe islamistischer Türken hatten ihn sogar Afghanen gewarnt. Wir erfahren von Rekrutierungsbüros für Mudschaheddin in den USA, etwa in Brooklyn, New York City.

Dietmar Hack ist kein Verschwörungstheoretiker, erinnert aber daran, daß die Verhandlungen über ein großes Pipeline-Projekt zwischen der späteren afghanischen Taliban-Regierung im Juni 2001 scheiterten, das die Amerikaner mit massiven Gewaltdrohungen zu erpressen versuchten. Nach dem 11. September desselben Jahres wurde dann Afghanistan tatsächlich mit Krieg überzogen. Unabhängig von solcher Koinzidenz hält Hack den zweiten Afghanistan-Krieg für den gescheiterten Versuch der Durchsetzung einer US-amerikanischen Globalisierung und für den ersten erfolgreichen Anti-Globalisierungsaufstand. Nach dem sowjetischen und US-amerikanischen Krieg trage Afghanistan den Beinamen „Friedhof der Imperien“ zu Recht.

Nicaragua, Angola und Mosambik sind weitere Stationen jener aufregenden Zeit, der Endphase des Kalten Krieges, als zeitgleich in Europa die vereinigte Linke gegen die Nachrüstung mobil machte. Das Buch erinnert an die prowestlichen Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt gegen sozialistische Regime und ihre kubanischen „Berater“. Die offensichtliche Rolle der CIA wird nicht verschwiegen. Auch eine vergleichende Bewertung der Guerillakämpfer fehlt nicht.

Als einen entscheidenden und kritischen Punkt in asymetrischen Kriegen sieht Hack den Moment des taktischen Wechsels von Partisanentaktik zur offenen Kriegsführung. Dieser sei bei den afghanischen Mudschaheddin ebenso verfrüht gewesen wie beim Vietcong. Eine Phase, die Partisanen allerdings erst dann erreichen, wenn sie den Krieg nicht zuvor schon am Konferenztisch verlieren. Das galt für die Unita des Jonas Savimbi in Angola, einem Verbündeten des Westens und Südafrikas aus antimarxistischer Überzeugung. Er paßte nach der Machtübernahme des ANC in Pretoria nicht mehr in die politische Landschaft und fiel mit seinem engeren Stab 2002 eines Mordanschlag zum Opfer.

Was Mosambik betrifft, so war dieser Bürgerkrieg zwischen westlichen und östlichen Parteien nicht nur ein verkappter Stammeskrieg, sondern ein Paradebeispiel für perfekte Desinformation durch die marxistische Regierungspartei, die es verstand, eigene Massaker systematisch und mit Hilfe von Amnesty International den prowestlichen Rebellen in die Schuhe zu schieben. Den Wahlsieg der Rebellen verhinderte das zwar nicht, wohl aber deren weitere westliche Unterstützung. Am Rande: Pikant die verbürgten Selbstvergleiche Robert Mugabes mit Adolf Hitler und einige hintergründige Fakten zur Kosovo-Intervention der Nato 1999, die unter dem Titel „Fischers Coup im Rambouillet“ überschrieben sein könnten. Eine Warnung: Der große farbige Fototeil in der Buchmitte ist nicht immer etwas für sensible Gemüter.

Dittmar Hack: Als Kriegsreporter in den Leichenkellern des Kalten Krieges. Tagebuch über den Untergang des Sowjetimperiums. Sinus-Verlag, Beltheim 2014, gebunden, 480 Seiten, Abbildungen, 34 Euro

Foto: Gefangennahme von Mudschaheddin im sowjetisch-afghanischen Krieg: Hochgerüstete Gotteskrieger

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen