© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/14 / 10. Oktober 2014

Zitate

„Schlagartig wird deutlich, was ein Buch, das wir öffnen, um einzutauchen in eine erfundene Welt, und das wir wieder schließen, wenn wir es wünschen, immer war: ein Medium der Freiheit. Bald schon werden wir die Manipulation jedes Textes, den wir elektronisch lesen, erleben. Wie alle digitalen Inhalte wird auch die digitalisierte Literatur, die Geschichten und Romane, die wir kennen, nach der Maßgabe von Stimulanz und Dämpfung korrigiert werden, unmerklich und stetig. Doch solange es Bücher als physische Objekte gibt, bieten sie noch jenen autonomen und unveränderlichen Raum des Utopischen, in dem unsere Träume uns gehören. Bei jeder Lektüre verlangen sie von uns, unsere Freiheit bewußt zu nutzen, zwischen Fiktion und Wirklichkeit hin und her zu wechseln. Und erst das macht uns zu Subjekten der Erkennbarkeit der Welt.“

Thomas Hettche, Schriftsteller, in der „NZZ“ vom 30. September 2014

 

 

„Falls wir einmal vergaßen, wie sehr wir alle eins sind, erinnerte uns die Popmusik mit Weltumarmungsliedern daran, und wir Bewohner des privilegierten Nordens, die sich Besinnlichkeit, steuerlich absetzbare Almosen und eine Empathie leisten können, die auch in den Schlächtern noch den guten Kern sieht, schunkelten dazu. Der Spaß ist uns gründlich vergangen. Das liegt daran, daß wir jetzt zu spüren bekommen, wie sehr die Welt globales Dorf geworden ist – zu einem Ort, an dem jedes erdenkliche Elend einem sehr viel näher kommt, als es Stadtmenschen gewohnt sind.“

Peter Praschl, Journalist, bei „Welt Online“ am 30. September 2014

 

 

„Zivilcourage, die nur dann mutig und entschlossen ist, wenn bierbäuchige Wirrköpfe mit der Reichkriegsflagge durch eine Straße latschen, ist keine Zivilcourage, sondern Moralwellness. Wenn es allerdings ernst wird, wenn man es nicht mit ein paar grölenden Dumpfbacken zu tun hat, sondern mit Schlächtern, die vor keiner Grausamkeit zurückschrecken, dann wird erst einmal diskutiert: ob man sich da überhaupt einmischt und ob das moralisch vertretbar ist. Der Hintergrund ist jedoch nicht Moral, sondern Bequemlichkeit und – häßliches Wort, aber man muß es einmal aussprechen – Feigheit.“

Alexander Grau, Kultur- und Wissenschaftsjournalist, bei „Cicero Online“ am 6. Oktober 2014

 

 

„Die Kraft alter Reichsträume wurde übersehen, in Rußland ebenso wie in der Arabischen Welt. (...) Rußland wird langfristig aus seinem Agieren große Nachteile haben, und die IS-Milizen werden den jetzigen Krieg militärisch nicht gewinnen. Aber die Europäer werden ihre begrenzten Ressourcen für die Bearbeitung dieser Probleme einsetzen müssen, und die verwendeten Ressourcen werden bei der Bewältigung anderer Probleme fehlen. Wahrscheinlich hätte man die Krise im arabischen Raum auch bei mehr Voraussicht und Klugheit nicht verhindern können. Im Fall der Ukraine dagegen wäre das jedoch durchaus möglich gewesen. Allerdings hätten dafür die Kategorie des Imperialen und die Kraft historischer Reminiszenz ins politische Kalkül einbezogen werden müssen.“

Herfried Münkler, Politikwissenschaftler, im „IPG-Journal“ am 6. Oktober 2014

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