© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/14 / 10. Oktober 2014

„‘Deutschland von Sinnen’ zum Nachglühen“
Akif Pirinçci ist wieder da! Mit seinem Sensationsbuch sorgte er im Frühjahr für klingelnde Kassen und entsetzte Proteste. Jetzt rechnet er im Sammelband „Attacke auf den Mainstream“ erneut ab und zieht die Bilanz aus der Vernichtungsschlacht um „Deutschland von Sinnen“.
Moritz Schwarz

Herr Pirinçci, Ihr Buch „Deutschland von Sinnen“ war der Knüller zu Beginn des Buchjahres 2014.

Pirinçci: Das kann man wohl sagen! Einen Monat Platz eins auf der Amazon-Bestsellerliste, Platz zwei auf der Spiegel-Bestsellerliste für Sachbücher. 180.000 verkaufte Exemplare in sieben Auflagen. Herrlich!

Sie zählen das gerne auf?

Pirinçci: Ist doch toll! Ich bin selbst ganz beeindruckt von mir.

Aber inzwischen hört man nichts mehr von Ihrem Buch.

Pirinçci: Ach komm, wir verkaufen immer noch ordentlich!

Mag sein, im öffentlichen Diskurs aber ist es fast schon wieder vergessen.

Pirinçci: Schuld daran ist das Fernsehen. Aber ich glaube dennoch, daß mein Buch viel dazu beigetragen hat, daß sich in unserem Land etwas ändert: Immer mehr Leute wachen auf, lassen sich nicht mehr alles bieten. Das sieht man etwa an den Erfolgen der AfD. Daß das Buch nun nicht mehr im Rampenlicht steht, was soll’s, ich schreib’ schon ein neues!

Nämlich?

Pirinçci: Arbeitstitel „Die große Verschwulung“.

Klingt nach neuem Zoff.

Pirinçci: Darauf kannst du wetten!

Den haben Sie allerdings sowieso: in Form einer Anzeige wegen Volksverhetzung.

Pirinçci: Keine Anzeige, sondern Ermittlungen, geht vom Staatsanwalt aus.

Sie sollen den Islam als „kollektivistische Sex- und Gewaltsekte“ verunglimpft haben.

Pirinçci: Verunglimpft? Beschrieben! Außerdem habe ich prophezeit, daß wir alle zu Sklaven des Islams werden, wenn wir ihm weiter in den Arsch kriechen.

Wie geht das aus?

Pirinçci: Weiß ich nicht, aber ich werd’ keine Geldstrafe akzeptieren, sondern in den Knast gehen und von dort eine Kampagne starten! Die werden es noch bereuen, sich mit einem Giftzwerg wie mir angelegt zu haben! Außerdem hab ich dann viel Zeit, um „Die große Verschwulung“ fertigzuschreiben. Hat übrigens gar nix mit Homosexuellen zu tun, sondern mit der Verweichlichung unserer Gesellschaft, die immer weibischer wird. Was ein Problem ist, wenn der männliche Teil auch davon erfaßt wird. Beispiel Bundeswehr, wo es dank von der Leyen um Kinderbetreuung und schöner Wohnen in Kasernen geht, statt um einsatzbereite Panzer, Flugzeuge und Hubschrauber. Bis ich aber mit diesem neuen Knüller die Politisch-Korrekten traktieren kann, wird es leider mindestens Frühjahr. So lange haben mein Verleger und ich aber noch eine andere Gemeinheit in petto: „Attacke auf den Mainstream. ‘Deutschland von Sinnen’ und die Medien“ erscheint demnächst und dokumentiert die aufregenden Wochen nach Erscheinen meines Schockbuchs. „Deutschland von Sinnen“ zum Nachglühen sozusagen. Rauchig im Abgang!

Erklären Sie darin auch, warum das Fernsehen daran schuld sein soll, daß „Deutschland von Sinnen“ weg vom Fenster ist?

Pirinçci: Also so lasse ich das nicht stehen! Gerade war die führende niederländische Tageszeitung bei mir zum Interview, kurz davor der deutsch-französische Kulturkanal Arte, demnächst der RBB und Spiegel TV. Von wegen „weg vom Fenster“! Aber es ist doch klar, daß jedes Erfolgsbuch seine Zeit hat. Zack! Erst schlägt es ein, dann brennt die Luft und die Debatte tobt. Wir hatten im Frühjahr bis zu fünf Zeitungsartikel an einem Tag! So – und entweder du kommst dann ins Fernsehen oder, wenn jedes Kackblatt seinen Stuß dazu abgesemmelt hat, die Diskussion versandet.

Sie waren doch im Fernsehen.

Pirinçci: Einmal, im ZDF – also mit „Deutschland von Sinnen“. Danach aber haben sie alle Schiß bekommen. Ich hatte sechs weitere Einladungen – unter anderem zu „Günther Jauch“, „Hart aber fair“, „3 nach 9“, „Nachtcafé“ – und schließlich sechs Ausladungen. Obwohl es etwa bei „Nachtcafé“ schon ein dreistündiges Vorgespräch gegeben und Sat1 sogar Aufnahmen gemacht hatte.

Na ja, Sat1 hatte die Aufnahmen mit Ihnen für sein Frühstücksfernsehen geplant und dann das Resultat als nicht familienfreundlich genug eingestuft.

Pirinçci: Ach, das ist doch blabla ...

Da widerspreche ich entschieden. Ihre Texte sind ganz sicher nicht familienfreundlich.

Pirinçci: Erzähl mir doch nichts! Die dachten sich sabbernd: „Wow! Da haben wir ein ganz heißes Talk-Baby!“ Und recht hatten sie! Bei dem langweiligen Einheitsbrei, den die sonst senden, bringt ein irres Monster wie ich ganz sicher Quote! Aber dann stellten sie fest, daß das Baby tatsächlich so richtig ungezogen sein würde, und da verließ sie der Mut. Das hat aber nichts mit „familienfreundlich“ zu tun, sondern damit, daß in diesem Land das linksgrün versiffte Milieu die ungeschriebenen Gesetze des Journalismus diktiert.

Dem widerspricht, daß Sie im ZDF auftreten konnten.

Pirinçci: Ich glaub, die Knallköppe dort hatten mein Buch vorher gar nicht richtig gelesen. Ich war schon früher bei denen zu Gast, damals mit meinen Katzenbüchern, und das war immer ganz toll: Ja, da kommt dieser lustige Türke mit seinen Katzenkrimis, wie possierlich, alles im grünen Bereich. Klar wußten sie, daß es diesmal kein Katzenbuch war, aber sie dachten halt: Diesmal isser so ein bißchen aufrührerisch, auch mal nett.

Und dann legten Sie los ...

Pirinçci: Aber so was von! Ich weiß ja, die sind gewohnt, daß Leute mit angriffslustigen Büchern im Interview dann zurückrudern. Hat ja selbst Sarrazin so gemacht. Aber ich nicht.

War aber auch ein bißchen undiplomatisch von Ihnen. Sind Sie nicht selbst schuld, daß Sie dann überall ausgeladen worden sind?

Pirinçci: Nee, wenn die Arsch in der Hose gehabt hätten, hätten sie sich mir gestellt. Aber dann kamen obendrein die ganzen Verrisse, von wegen Pirinçci der „Haßprediger“, „Hetzer“ und Wiedergänger von Hitler – so in dem Stil.

Die „Zeit“ hat „Deutschland von Sinnen“ tatsächlich attestiert, so etwas wie das „Mein Kampf“ des Jahres 2014 zu sein.

Pirinçci: Nicht zu fassen, die können das Buch gar nicht gelesen haben.

Sie verbreiteten darin Haß auf Homosexuelle und Ausländer.

Pirinçci: Haß auf Ausländer? Als Türke? Geht’s noch? Ich sag in „Deutschland von Sinnen“ nichts gegen Ausländer an sich – im Gegenteil! Und auch nichts gegen Homosexuelle, sondern nur gegen den Kult, der darum gemacht wird. Na ja, immerhin bin ich so zu einer festen Größe geworden. Es gibt jede Menge Artikel, die handeln von allem möglichen, aber am Ende kommt ein Nebensatz mit dem Tenor: „ ... dieser scheiß Pirinçci!“ Ich bin so eine Art Gottseibeiuns.

Gefällt Ihnen das?

Pirinçci: Mir ist das egal. Und es waren ja auch nicht alle Kritiken schlecht. Die Süddeutsche Zeitung etwa konnte sich für die „wilden Ideen“ in meinem Buch begeistern, die Wirtschaftswoche fühlte sich an Charles Bukowski erinnert, der European lobte mich als einen „Clown im besten Sinne“, und Spiegel Online attestierte mir, ein echter Anarchist zu sein. Anarchist, das trifft es!

Die „FAZ“ nannte Sie das „Megaphon der schweigenden Mehrheit“.

Pirinçci: Wissen Sie, in den Siebzigern gab es noch rechte und linke – oder sagen wir, dem Konservatismus und dem Sozialismus zuneigende Journalisten. Dann kamen in den Achtzigern die Grünen und haben alles verändert. Durch sie wurde die konservativ-liberale Seite stigmatisiert: Diesen Leuten billigte man plötzlich nicht mehr zu, eine andere Meinung zu haben, sondern sie galten fortan nur noch als „reaktionär“, „menschenverachtend“ oder „zynisch“. So ist die nachkommende Journalistengeneration nicht mehr in dem Bewußtsein von politischen Unterschieden – links und rechts – aufgewachsen, sondern in der Vorstellung, daß es sich dabei um eine Frage von Gut und Böse handelt. Wobei man sich selbst natürlich dem Lager der Guten, Linken, Grünen zurechnete. In den Neunzigern begann sich das dann fast flächendeckend durchzusetzen. Heute sehen Sie das etwa daran, daß Journalisten wie selbstverständlich das ganze grüne Propagandagesabber übernehmen, etwa statt von Studenten von „Studierenden“ oder gleich von „Student­Innen“ sprechen, von „Migranten“ statt von Einwanderern oder – noch absurder – allen Ernstes von „Menschen mit Migrationshintergrund“. Asylbewerber gibt es natürlich auch nicht mehr, sondern nur noch „Flüchtlinge“ oder besser noch „Refugees“. So, und wenn Sie das in fast allen Zeitungen lesen, dann ist es doch kein Wunder, daß Bücher wie die von Sarrazin oder meines, schlagartig den Sprung in die Bestsellerlisten schaffen. Die Leute haben es satt und sind dankbar, mal etwas anderes zu lesen!

Sie meinen, die Medien schreiben an den Bürgern vorbei?

Pirinçci: Aber natürlich, sonst wäre doch etwa der Erfolg meines Buches gar nicht zu erklären. Beispiel: Bei „Markus Lanz“ geht es nach der Wahl um die AfD. Aber wer sitzt da? Etwa ein Vertreter der AfD? Nein, da sitzt der Kubicki von der FDP – einer Partei, die es gar nicht mehr gibt – und irgendein Kabarettist, der zuvor das Scheitern der AfD „vorhergesagt“ hatte. Da sitzen also zwei Loser und zerreißen sich das Maul über den Sieger – der aber nicht eingeladen ist. Kann es ein drastischeres Bild dafür geben, wie die Medien in ihrer unendlichen Arroganz den Bürger ignorieren? Sie machen den Speichellecker der Mächtigen und halten sich dabei für kritische Journalisten. Kein Wunder, daß die Auflagen sinken!

Die sinken doch wegen des Internets.

Pirinçci: Natürlich spielt das eine große Rolle. Ich erlebe das selbst, wenn ich wieder mal allein mit einem Facebook-Beitrag 10.000 Leser gewinne und eine Debatte auslöse, die es auf Anhieb in die Printmedien schafft. Ich finde das immer noch ganz unglaublich! Aber das ist es nicht alleine.

Der „Cicero“ führt Ihren Fall sogar als Beispiel an und schreibt: „Zeitungen sterben. Der Grund: An den Lesern wird vorbeigeschrieben. Gerade ... der Umgang mit Akif Pirinçci zeigt das beispielhaft.“

Pirinçci: Eben. Besonders putzig hat sich das bei der Zeit gezeigt, die nach dem „Mein Kampf“-Artikel gegen mein Buch mit massivem Leserprotest zu tun hatte. Reaktion der Redaktion: ein weiterer Artikel, in dem sie diesen Lesern attestierte, was für zurückgebliebene und verklemmte Würstchen sie doch seien.

„Leser an Medium: Du lügst! Medium an Leser: Schnauze!“ so das Fazit des „Cicero“.

Pirinçci: Genau. Ich hab mir neulich bei Facebook die Kasseler Uni-Professorin und Gender-Agitatorin Elisabeth Tuider zur Brust genommen, die empfiehlt, Kindern Gruppensex und Analverkehr nahezubringen. Und wer kritisiert mich dafür? Das Handelsblatt! Man, ich dachte immer, das sei so ein Käseblatt für Manager, bürgerliche Presse. Aber nein, offenbar glauben die, ihre Leserschaft bestünde aus irren Gender-Mainstreaming-Lesben, daß die sich über so ein Thema in dieser Art verbreiten! Abgesehen davon, daß ich mich frage, was Handelsblatt-Leser Debatten interessierten, die von mir bei Facebook angestoßen wurden? Na, würde mich nicht wundern, wenn die als nächste das Licht ausmachen.

Aber wenn Ihre These zutrifft, warum hat dann gerade die „Zeit“ – das Flaggschiff des Belehrungsjournalismus – als fast einzige deutsche Zeitung Auflagenzuwächse?

Pirinçci: Eigentlich wundert mich das gar nicht. Denn – abgesehen von meinem Fall – sammelt sich dort sonst ja genau dieses Stammpublikum. Die schreiben also sonst keineswegs an ihrem Zielpublikum vorbei. Der Irrtum der übrigen Medien ist, zu glauben, die Lehre aus dem Erfolg der Zeit sei, genauso zu schreiben wie diese. Nein, lernen kann man von der Zeit vielmehr: Schreib für dein Publikum! Im übrigen, keineswegs hat nur die Zeit Zuwächse, Ihre Zeitung doch auch! Und warum? Weil sie Kontrast zum Einheitsbrei liefert. Dabei sind Sie vom Internetproblem doch genauso betroffen wie alle anderen, aber dennoch gewinnen Sie erheblich an Lesern!

Wie wird das enden?

Pirinçci: Das sehen Sie doch: Statt endlich den politisch korrekten Kurs zu ändern, betteln die Zeitungen bei den Mächtigen um Subventionen und Bestandsgarantien. Nein, ich fürchte, wir werden diese Art Journalisten nicht los, bevor sie ihre Blätter alle an die Wand gefahren haben.

 

Akif Pirinçci, „Deutschlands neuer Sarrazin“ (Huffington Post), „Sarrazin auf Speed“ (FAZ) und „gegen ihn ist selbst Sarrazin zahm“ (Focus) lauteten etwa die Schlagzeilen Anfang des Jahres. Akif Pirinçcis Buch „Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ schockte das Land und sorgte für Lobgesänge und Haßorgien in den Feuilletons. Dabei galt Pirinçci, 1959 in Istanbul geboren, aufgewachsen in der Eifel, lange als harmlos: Als Schöpfer des Tierkrimis eroberte er ab 1989 mit seinem Bestseller „Felidae“ das Publikum, der 1994 fürs Kino verfilmt wurde. Politischer Blogger ist Pirinçci seit 2013. Für Furore sorgte sein Online-Essay „Das Schlachten hat begonnen“, der zur Grundlage für „Deutschland von Sinnen“ wurde. Nun erscheint am 30. Oktober „Attacke auf den Mainstream. ‘Deutschland von Sinnen’ und die Medien“. Der Band versammelt Texte verschiedener Autoren, von Akif Pirinçci und Thorsten Hinz bis hin zur berüchtigten Zeit-Rezension, die Pirinçci als Autor eines neuen „Mein Kampf“ darstellt.

www.deutschland-von-sinnen.de

Foto: Deutsch-türkischer Skandalautor Pirinçci: „Dieser scheiß Pirinçci! Ich bin so eine Art Gottseibeiuns ... ein irres Monster“

 

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