© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/14 / 10. Oktober 2014

„Bitte zusammenrücken“
Die Bibliothek des Konservatismus hat sich als Spezialbibliothek etabliert, ihre Veranstaltungen sind gut besucht
Sabrina Moritz

Immer öfter heißt es „Zusammenrücken!“, wenn die Bibliothek des Konservatismus in der Berliner Fasanenstraße zu einer Abendveranstaltung einlädt. Bis zu 100 Personen finden in ihrem Lesesaal Platz, der zweimal im Monat für Vorträge, Buchvorstellungen oder Podiumsdiskussionen bestuhlt wird. Manchmal aber reichen selbst die Stühle nicht aus, und die wissensdurstigen Gäste müssen mit Stehplätzen vorliebnehmen. So zuletzt Anfang September, als der Mannheimer Historiker Stefan Scheil eindrucksvoll und quellengesättigt über den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sprach.

Die seit 2013 stattfindenden Veranstaltungen sind der wohl eindrücklichste Indikator für den beachtlichen Aufschwung, den die Bibliothek in den zurückliegenden fünf Jahren genommen hat. Groß waren anfangs die Bedenken: Wird sich eine vollständig auf Spendenbasis arbeitende Einrichtung tragen? Ist die Zeit überhaupt reif für eine dezidiert konservative Bildungseinrichtung? Oder wird sie nur ungenutzt vor sich hindümpeln, während anderswo die Musik spielt?

Ort für kontroverse Diskussionen

Wenig ist von diesen Bedenken geblieben. Denn längst ist die Bibliothek zu einem der wichtigsten Kristallisationspunkte des konservativen Diskurses in Deutschland geworden. Ganz gleich, ob es um die Beurteilung der AfD aus konservativer Sicht, das Verhältnis zu den Libertären oder die Sichtung der konservativen Restbestände in der Union geht: Stets ist es die Bibliothek des Konservatismus, in der diese Fragen verhandelt werden. Doch sind es keineswegs nur tagespolitische Fragen, die in der Bibliothek ihren Ort haben. Das Gedenkjahr 2014 etwa bot auch Anlaß zur historischen Rückschau auf die komplexen Vorgeschichten zweier Weltkriege sowie auf den konservativen Widerstand gegen Hitler. Und noch einmal weiter reicht der Bogen, der mit den zahlreichen Buchvorstellungen bis hin zu kulturellen und philosophischen Fragestellungen geschlagen wird.

Während auf den Abendveranstaltungen lebhaft diskutiert und bisweilen auch engagiert gestritten wird, erwartet den Besucher tagsüber eine eher ruhige und konzentrierte Atmosphäre. Studenten schreiben hier anhand konservativer Bücher und Zeitschriften, die sie anderswo kaum bekommen, ihre Seminar-, Bachelor- oder Masterarbeiten, andere schauen vorbei, um einen Blick in die aktuellen konservativen Zeitungen und Zeitschriften zu werfen, die im Lesesaal ausliegen. Zweimal in der Woche, dienstags und mittwochs von 10 bis 15 Uhr, öffnet die Bibliothek für ihre Nutzer die Pforten. Die restlichen Wochentage sind für den weiteren Auf- und Ausbau der wertvollen Bestände reserviert, den das kleine Bibliotheksteam neben allen anderen Arbeiten ebenfalls bewältigen muß. „Wer außerhalb unserer Öffnungszeiten hier arbeiten will, kann dies nach vorheriger Anmeldung aber auch gern tun“, so der in der Bibliothek für die Sammlungen und Archive verantwortlich ist. Besonders Forscher, die auf der Durchreise oder nur kurz in Berlin sind, machen von dieser unkomplizierten Möglichkeit gern Gebrauch.

Seminarbetrieb für Studenten

Doch Bücher und Abendveranstaltungen sind nicht alles, was die Bibliothek zu bieten hat. Im vergangenen Sommersemester hat sie einen eigenen kleinen Seminarbetrieb aufgenommen: Studenten und Jungakademiker verschiedenster Fachrichtungen kommen dazu wöchentlich in der Bibliothek zusammen, um unter Anleitung von Bibliotheksleiter Wolfgang Fenske zentrale Texte konservativen Denkens zu lesen und zu diskutieren. Von Joseph de Maistre bis Botho Strauß, von Arnold Gehlen bis Hans-Hermann Hoppe reichte die Auswahl der Texte, die eine beachtliche Bandbreite konservativen Denkens sichtbar werden ließ. Schon bald war den Teilnehmern klar: Das Bekenntnis, „konservativ“ zu sein, ist das eine. Inhaltlich begründen zu können, was konkret man damit meint, etwas ganz anderes. „Wir leben in Zeiten, wo gerade auf konservativer Seite viel in Bewegung kommt. Die konservativen Eliten von morgen mit dem notwendigen geistigen Rüstzeug auszustatten, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Bibliothek“, so Wolfgang Fenske.

Ohne die großzügige und kontinuierliche Unterstützung durch einen breiten Fördererkreis wäre dieses ehrgeizige Projekt nicht zu bewältigen, dessen sind sich die Bibliotheksmitarbeiter bewußt. Doch das auch äußerlich sichtbare Wachstum von zunächst einer auf mittlerweile drei Bibliotheksetagen scheint den eingeschlagenen Weg zu bestätigen.

Der Blick in die Zukunft stimmt alle Beteiligten zuversichtlich. Zu den Veranstaltungen wird noch im Herbst eine Schriftenreihe „Erträge“ hinzukommen. Eine professionell arbeitende konservative Bibliothek, interessante Abendveranstaltungen, theoretisch anspruchsvolle Seminare – es wurde schon eine Menge erreicht. Nun gilt es, das Erreichte zu festigen und weiter auszubauen. Wenn die Verbreiterung des Fördererkreises weiter gelingt, ist das zu schaffen.

Fotos: Wissenschaftliche Bibliothek mit politischem Anspruch: Sophia Kuby, Familien- und Lebensrechtsaktivistin aus Brüssel, gehört zu den zahlreichen Prominenten, die in den vergangenen Jahren in der Bibliothek sprachen; Zentrale Lage: Im ersten, zweiten und dritten Stock dieses Berliner Bürohauses, ganz in der Nähe vom Bahnhof Zoo, findet sich die Bibliothek des Konservatismus mit Lesesaal, Büros, Seminar- und Veranstaltungsraum

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