© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/14 / 10. Oktober 2014

Frisch gepresst

Gedenkorte. Von der Entwicklung der Nationalstaaten im 19. Jahrhundert geht überall in Europa die Ausprägung des Sinns für Geschichte einher, dem zahllose Altertumsgesellschaften ihre Gründung verdanken, dem aber auch die „Verdenkmalung“ der Kulturlandschaften entsprang. Denkmäler vergegenwärtigten für die Gemeinschaft bedeutende Ereignisse und Personen. Sie dienten damit kollektiver Selbstvergewisserung und stabilisierten den nationalen Zusammenhalt. Da aber in der Bundesrepublik die Nation nur noch als Hindernis im Selbstauf-lösungsprozeß empfunden wird, sinkt das Interesse an Symbolen „gemeinsamer“ Geschichte rapide. Statt dessen werden „Schandmale“ bevorzugt, wie die Herausgeber eines 100 historisch markante „Deutsche Orte“ umfassenden Handbuchs monieren. Ihre Bestandsaufnahme reagiert auf die politisch gewollte Geschichtsvergessenheit und wirft einen neuen Blick auf bekannte Wahrzeichen, kritisiert die beliebten „Dekonstruktionen“ von Denkmälern, berücksichtigt selbstverständlich die deutschen Geschichtsorte jenseits der Oder und führt über Stalingrad zu exotischen Zielen wie dem Nanga Parbat, dem „deutschen Schicksalsberg“ im Himalaja. (dg)

Erik Lehnert, Karlheinz Weißmann (Hrsg.): Deutsche Orte. Staatspolitisches Handbuch Bd. 4. Verlag Antaios, Schnellroda 2014, gebunden, 222 Seiten, 15 Euro

 

Bombenkrieg. Die katastrophalen Opfer an Menschen, Kulturgütern und Gebäuden, die anglo-amerikanische Bombardements in Deutschland zwischen 1942 und 1945 forderten, dürften im Zweiten Weltkrieg allenfalls in Japan ähnliche – wenn nicht sogar noch größere – Ausmaße erreicht haben. Natürlich behandelt der britische Historiker in seinem Opus über den Bombenkrieg in Europa auch diesen Hauptkampfplatz, wobei er der recht umfangreichen Publizistik nichts fundamental Neues hinzufügen kann. Der eigentliche Wert seiner imposanten Arbeit findet sich jedoch gerade dort, wo Overy seinem Anspruch gerecht wird, ein Desiderat in Forschung und Publizistik zu beseitigen. Das gilt den deutschen Bombenangriffen in der Sowjetunion ebenso wie jenen, die die Alliierten Frankreich oder Italien zumuteten, mit Schäden und Menschenopfern (allein über 50.000 getötete Franzosen), die beispielsweise die Dimensionen des deutschen „Blitz“ gegen England 1940/41 weit überstiegen. (bä)

Richard Overy: Der Bombenkrieg. Europa 1939–1945. Rowohl Verlag, Berlin 2014, gebunden, 1.053 Seiten, Abbildungen, 39,95 Euro

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