© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/14 / 17. Oktober 2014

Unsere Straßen, ihr Kampf
Die Zusammenstöße zwischen Kurden und Islamisten sind Konsequenz ungeregelter Zuwanderung
Thorsten Hinz

In Celle sind Moslems und Jesiden mit Knüppeln, Steinen und Flaschen aufeinander losgegangen. In Hamburg drohten Kurden und Salafisten sich die Köpfe mit Eisenstangen und Macheten ein- und abzuschlagen (siehe Seite 7). Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, sprach sichtlich geschockt von Bürgerkriegsszenen und äußerte die Erwartung, daß dies erst der Anfang sei.

In Mainz, Hamburg und im Ruhrgebiet konnten Bahnhöfe nicht angefahren werden, weil Kurden die Gleise besetzt hielten. In München wurde die CSU-Parteizentrale besetzt, in Köln das Gebäude der Deutschen Welle gestürmt. Auslöser ist der Terror der Armee des „Islamischen Staates“ im Nahen und Mittleren Osten. Deutschland soll durch die Aktionen zu einer akiveren Politik veranlaßt werden.

Was in jenen Regionen geschieht, ist schlimm. Doch das überstrapazierte Wort von der „deutschen Verantwortung“ ist völlig fehl am Platze, denn weder ist der Konflikt eine Konsequenz deutschen Handelns, noch existiert eine politische Ethik, die einem Land befiehlt, sich in die Geiselhaft externer Konfliktparteien zu begeben und die Politik von ihnen bestimmen zu lassen. Trotzdem sind wir Geiseln – und zwar durch das schiere gewaltfähige Massenpotential, das sich aus der ungesteuerten, zumeist muslimischen Zuwanderung der letzten Jahrzehnte ergibt.

Und es wird noch schlimmer kommen. Denn nicht über die verübten Land- und Hausfriedensbrüche wird diskutiert, nicht über den Zustand vollendeter Erpressung und vor allem nicht über die Notwendigkeit, die Zuwanderung endlich zu drosseln, sondern darüber, immer mehr Neuankömmlinge flächendeckend über das ganze Land zu verteilen. Es wurde sogar beschlossen, die Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei zu intensivieren und auf diese Weise zu signalisieren, daß man sich mit der Ausweitung der muslimischen Zuwanderung abgefunden hat.

Wann war der deutsche Staat ähnlich machtlos und gestattete anderen Völkern, ihre Konflikte herein- und unter religiösem Vorzeichen hier auszutragen? Im Kalten Krieg bildeten die beiden deutschen Staaten jeweils das Glacis für die verfeindeten Supermächte und waren ihre Nukleargeiseln. Eine andere Vergleichsgröße ist der Dreißigjährige Krieg, als Deutschland das Schlachtfeld für die Machtkämpfe der Nachbarstaaten bildete.

Noch sind es Stellvertreterkriege, die auf unseren Straßen ausgetragen werden, doch ihre Methodik kann auch benutzt werden, um etwa die Gleichberechtigung der Scharia oder Autonomierechte in Deutschland einzufordern. Diese Entwicklung beschränkt sich nicht auf uns, sie betrifft ganz Westeuropa. Vermeintliche Realisten beschreiben sie als Teil einer neuen, globalisierten Normalität, an die man sich eben gewöhnen müsse. Doch auch sie scheuen sich, die schon sichtbaren Folgen der Entwicklung auszuformulieren. Wir haben es mit mehrerenTendenzen zu tun, die sich überlagern und gegenseitig dynamisieren, ohne deckungsgleich zu sein.

Karl Marx hatte im „Kommunistischen Manifest“ die Beseitigung aller historischen Bindungen, Traditionen und Grenzen durch den Kapitalismus gefeiert, weil er darin die Voraussetzung für eine weltweite Gemeinschaft freier Menschen erblickte. 150 Jahre später begnügte der Neoliberalismus sich mit der Vision des gleichgeschalteten globalen Einheitskonsumenten. Diese ökonomisch determinierte Ideologie ist von Globalisierungsplanern in eine politische überführt worden.

Der amerikanische Militärstratege Thomas Barnett beispielsweise plant die Welt von morgen als „multikulturelle Freihandelszone“, in der Frieden, Freiheit, Demokratie und Ausgewogenheit gedeihen. Die Staaten fungieren lediglich als durchlässige Einheiten für Waren-, Kapital- und Menschenströme, die für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Angleichung sorgen. Es ist eine total vernetzte, aber keineswegs herrschaftsfreie Welt. Die Macht liegt bei denen, die die Kommunikations- und Handelswege, die Datenarchive und die globale Begriffsbildung kontrollieren. In dieser Perspektive erscheinen die europäischen Nationalstaaten als sentimentaler Plunder, und die Migrationsströme bilden eine Humanwaffe zu ihrer Entmachtung.

Allerdings hat diese Politik unvorhergesehene Nebenwirkungen. Die islamische Welt verknüpft mit der Globalisierung ganz eigene Absichten. Sie ist, um einen Ausspruch des türkischen Präsidenten Erdogan zu variieren, der Zug, auf den sie aufspringt. Hilflos erleben die Europäer, wie das Demokratie- und Menschenrechtsvokabular sich gegen sie wendet.

Die Verteidigung der „nationalen Priorität“ und „nationalen Identität“ sei ein Verstoß gegen die Menschenrechte, die Europäer hätten die Zuwanderung, die Migrantenrechte und die multikulturelle Zukunft ihrer Staaten gefälligst zu akzeptieren, tönt der UN-Menschenrechtsrat, wo die islamischen und Dritte-Welt-Staaten die Mehrheit haben. Die immer schärferen Gesetze gegen „Volksverhetzung“ und „Haßverbrechen“, der Kampfbegriff „Islamophobie“, die „Diversitäts“-Propaganda oder das aufdringliche Loblied auf die Beiträge des Islam zur europäischen Kultur sind keine Zufälle oder Einzelentscheidungen. Sie beruhen auf langfristigen Vereinbarungen zwischen der Europäischen Union und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC).

Dies geschieht einem Europa, das von historischen Schuldgefühlen geplagt und in Terrorfurcht erstarrt ist, das sich in jeder Hinsicht – auch auf seinem ureigenen Territorium – auf dem Rückzug befindet. Erst von hier aus erschließt sich die volle Bedeutung dessen, was dieser Tage auf unseren Straßen passiert ist, ob in Celle, Hamburg oder anderswo.

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