© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/14 / 17. Oktober 2014

Plausibles Szenario
Geldordnung: Der frühere Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer empfiehlt sogenanntes Aktivgeld, um die Bankenmacht zu brechen
Michael von Prollius

Warum wir eine neue Ordnung des Geldes brauchen erläutert Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Instituts, Köln, in seinem gleichnamigen Buch. Seine Diagnose lautet: Das herrschende Schuldgeldsystem zerstört die Wirtschaft und bedroht die Demokratie. Der Euro werde ohne (Zentral-)Staat nicht überleben. Eine Prognose, die durch die Experten der Deutschen Bank gedeckt werden kann: Diese hatten in der Vorwoche vor einem weiteren Absinken des Außenwertes des Euro gewarnt.

Prognose: Finanzielle Repression nimmt zu

Außerdem sei es wahrscheinlich, daß „wir in vielen Ländern eine Phase der finanziellen Repression erleben, die in eine zunehmend bürokratisch-sozialistische Wirtschaftspolitik eingebunden ist“. Für Deutschland prognostiziert der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank zusätzlich eine „gehörige Prise an ökologisch begründetem Dirigismus sowie Einkommens- und Vermögensumverteilung“. Die damit einhergehende Schwächung des Wachstums werde in eine offene Inflationspolitik münden und das Vertrauen in das überkommene Geldsystem schwer erschüttern. Diesem plausiblen Szenario geht eine konsequente Auseinandersetzung mit den wesentlichen Fragen zum Geld voraus, die einer Abwendung von der unzulänglichen konventionellen Ökonomie folgt: Was ist Geld – und wie entsteht es? Was machen Banken, wie entsteht Inflation und warum sind Zinsen sinnvoll? Gibt es ein stabiles Geldsystem?

Den kommenden Zusammenbruch sieht Thomas Mayer als Chance für eine alternative Geldordnung. Staatsferne und Dezentralität kennzeichnen das neue Geldsystem, das effizienter und stabiler zugleich sein würde. Was bedeutet das – und wie kommen wir dahin? Der evolutionäre Prozeß soll aus drei Schritten bestehen:

1. Ein rechtlicher Wechsel vom Schuldgeld, das insbesondere durch die Kreditschöpfung der Banken entsteht und vergeht, zu einem nur durch die Zentralbank geschaffenen „Vollgeld“ mit Warengeldcharakter.

2. Eine öffentliche, aber staatlich unabhängige Institution erhält das alleinige Recht zur Geldproduktion mit einem unelastischen Geldmengenwachstum von ein bis zwei Prozent jährlich. Die Gelddeckung erfolgt durch den guten Willen der Bürger.

3. Unternehmerische Freiheit mit Einheit von Handeln und Haften, ohne daß Finanzinstituten aus der Klemme geholfen wird oder eine Zentralbank Kreditgeber der letzten Instanz spielen kann.

Technokraten vertreten nicht das Gemeinwohl

Eine Geldschöpfung wie beim derzeitigen Teilreservesystem ist aufgrund des grundsätzlich gewandelten Geldcharakters nicht möglich. Konkurrierende Währungen können, vor allem national, nebeneinander bestehen, aber auch vollständig durch Gold gedecktes Geld kann sich am Markt bewähren und gegebenenfalls durchsetzen.

Mayer setzt auf sogenanntes Aktivgeld, das – anders als Passivgeld – nicht permanent an Wert verliert. Vielmehr bilden Ersparnisse die Voraussetzung, um Kredite vergeben zu können. Der Zusammenbruch einer Bank führt daher nicht zum Verschwinden des zuvor geschöpften Geldes.

Die Aktivgeldordnung hat Charme und ist dem überkommenen Geldsystem überlegen. Thomas Mayer gelingt, was er als Leitlinie dem Buch vorangestellt hat – Friedrich August von Hayeks Plädoyer, den Menschen scheinbar Unmögliches als möglich zu verdeutlichen. Indes sind auch mit der Aktivgeldordnung Herausforderungen verbunden: Die Unabhängigkeit einer zentralbankähnlichen Institution ist keineswegs gewährleistet – wie nicht nur die Geschichte der Reichsbank eindrucksvoll belegt. Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz vor dem Staat, aber der freie Wettbewerb kommt dem am nächsten. Technokraten vertreten nicht das Gemeinwohl, weil sie es nicht kennen. Das Geldmengenwachstum halbiert die Kaufkraft binnen einer Generation. Die organisierten staatlichen und privaten Interessen werden sich auch in einer Krise gegen einen Systemwechsel sperren.

Ungeachtet dessen bietet der gut geschriebene Band eine Fülle aufklärender Ausführungen zum herrschenden Geldsystem als „öffentlich-private Partnerschaft zur Geldschöpfung“. Deutlich werden die Rolle der Banken, des Zinses und der Inflation sowie die Manipulation der Geld- und Kapitalmärkte durch die Zentralbank. Wegweisend sind die Einschätzungen der systembedingt vergeblichen Regulierungsbemühungen und der widersinnigen Diffamierung der Kapitalmärkte. Neuartig ist schließlich der wirtschaftswissenschaftlich eigenständige Kurs. Und das gilt nicht nur, weil seine „neue Liebe den Österreichern gehört“, wie Mayer offen zugibt.

Thomas Mayer: Die neue Ordnung des Geldes – Warum wir eine Geldreform brauchen. Finanzbuch-Verlag, München, 2014, 235 Seiten, broschiert, 17,99 Euro.

Foto: Euro-Münzen: Wachstumsschwäche und Inflationspolitik werden das Vertrauen in das überkommene Geldsystem schwer erschüttern

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