© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/14 / 17. Oktober 2014

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Samstagabend, Oper im Kino, Verdis „Macbeth“ nach dem Drama von William Shakespeare, Live-Übertragung aus der New Yorker Metropolitan Opera. In der Rolle der machthungrigen, blutdürstigen Lady: Anna Netrebko. An ihrer Seite Željko Lučić (Macbeth), René Pape (Banquo), Joseph Calleja (Macduff). Das Kino, ein mittelgroßer Saal, ist erstaunlich gut besucht. Das in New York unter den Fittichen des seit 2006 amtierenden Met-Direktors Peter Gelb entwickelte Konzept, Opern in HD-Qualität ins Kino zu übertragen, scheint immer besser angenommen zu werden. Dafür sprechen auch die offiziellen Zahlen. Seit dem Start der Reihe mit „ Der Barbier von Sevilla“ im März 2007 haben über eine Million Zuschauer in Deutschland und Österreich über fünfzig Produktionen aus der Met live im Kino gesehen. Beteiligten sich anfangs nur fünf Lichtspielhäuser, sind es heute 185. Weltweit überträgt die Met ihre Matinee-Vorstellungen in 66 Länder, wobei der deutschsprachige Markt nach dem amerikanischen der zuschauerstärkste ist. Für die Saison 2014/2015 stehen unter anderem noch Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“, Bizets „Carmen“, Rossinis „Barbier“, Wagners „Meistersinger von Nürnberg“, Franz Lehárs „Lustige Witwe“ mit Renée Fleming, „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach sowie Rossinis romantische Oper „La donna del lago“ (Die Dame vom See) mit Joyce DiDonato und Juan Diego Flórez auf dem Programm. Anna Netrebko wird in Taschaikowskys „Iolanta“ erneut zu erleben sein (www.metimkino.de).

„Es kommt nicht darauf an, dem Leben mehr Jahre zu geben, sondern den Jahren mehr Leben zu geben.“ (Alexis Carrel, französischer Mediziner und Physiologe)

Ihr Rollendebüt als Lady Macbeth hat die 42jährige russische Star-Sopranistin Netrebko erst in diesem Sommer in München an der Bayerischen Staatsoper gegeben. Gegenüber der dortigen Skandalinszenierung von Martin Kusej – Statisten hängen nackt blutend an Fleischerhaken von der Decke, Choristen kopulieren und urinieren auf der Bühne – nimmt sich die vergleichsweise traditionelle New Yorker Inszenierung von Adrian Noble jedoch gewohnt wohltuend aus. Vielleicht sind die schauerlichen Regie-Exzesse selbstverliebter Stückeverfremder auch mit ein Grund für den Zuspruch, den die Met-Übertragungen hierzulande finden.

„Nicht weil die Dinge unerreichbar sind, wagen wir sie nicht. Weil wir sie nicht wagen, bleiben sie unerreichbar.“ (Seneca der Jüngere)

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