© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/14 / 17. Oktober 2014

Erfolgsrezept: Beständigkeit
Seit 15 Jahren moderiert Günther Jauch die populärste deutsche Quizsendung
Ronald Berthold

In 15 Jahren kann nicht alles klappen. „Wer unterzeichnete am Ende des Zweiten Weltkriegs die deutsche Kapitulationsurkunde?“ fragte Günther Jauch relativ harmlos in seiner RTL-Quizshow „Wer wird Millionär?“ Die Antwortmöglichkeiten allerdings hatten es in sich. Oder auch nicht. Der Kandidat konnte zwischen Konrad Adenauer, Hermann Göring, Adolf Hitler und Karl Dönitz wählen. Die richtigen Lösungen Alfred Jodl und Wilhelm Keitel standen nicht zur Auswahl.

Dieser Fauxpas hat sich als einer der ganz wenigen Fehler erwiesen, die der Redaktion nach inzwischen rund 1.200 Ausgaben unterliefen. Ansonsten hat sich die Sendung nicht nur wegen ihrer immer noch guten Einschaltquoten viel Respekt erarbeitet.

Auch wenn manche Fragen – gerade, wenn es um hohe fünf- oder sechsstellige Summen geht – etwas speziell sind, trägt sie dazu bei, Allgemeinwissen unter das TV-Volk zu bringen. Falls es überhaupt noch eine Familiensendung gibt, dann ist es „Wer wird Millionär?“. Alt und Jung raten gemeinsam mit, prüfen ihr Wissen und diskutieren über die Lösungen – und das nun seit ziemlich genau anderthalb Jahrzehnten.

Immer sympathisch und ohne jegliche Häme

Ob sich die Show auch ohne ihren Moderator zum erfolgreichen Dauerbrenner entwickelt hätte, darf bezweifelt werden. Günther Jauch führt sympathisch durch die Sendung, er geht durchaus humorvoll mit den Kandidaten um, ohne über Unwissende Häme auszuschütten. Auch nach einem frühen Scheitern kann jeder Kandidat sein Gesicht wahren. Der inzwischen 58jährige gehört nicht zu jenen eitlen Selbstdarstellern, die zunehmend Einzug in das Medium halten und ihre Mitmenschen coram publico blamieren.

Anders als inzwischen auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vielfach üblich, bleibt er immer beim „Sie“. Ein „Du“ kommt ihm gegenüber seinen Kandidaten nicht über die Lippen. Stets im Anzug mit Krawatte gekleidet wirkt der Potsdamer mit seinen konservativen Umgangsformen wie ein Relikt aus einer Zeit, als TV-Stars noch Vorbildcharakter hatten. Der Vater von zwei eigenen und zwei Adoptivtöchtern gibt weniger den Rateonkel als mehr den Papa – gerade wenn es sich um junge Kandidaten handelt.

Die Fragen für die von Endemol produzierte Sendereihe erarbeiten zehn Redakteure der Firma „Mind the Company“. Kein Rätsel darf sich wiederholen. Am wenigsten Mühe machen in diesem Zusammenhang die Millionenfragen, denn die werden nicht wirklich oft gebraucht.

Bis Mai dieses Jahres mußte Jauch sie insgesamt nur 71mal stellen. Tatsächlich zum Millionär brachten es in den 15 Jahren aber nur acht Personen – sechs Männer und zwei Frauen. Drei Prominente knackten in Sonderausgaben drehbuchverdächtig die Summe, spendeten sie aber jeweils für einen guten Zweck: Oliver Pocher, Thomas Gottschalk und Barbara Schöneberger.

Daß es nur sehr selten zu Pannen wie bei der Kapitulationsfrage kommt, liegt an der akribischen Arbeit des Teams von „Mind the Company“. Mindestens zwei voneinander unabhängige Quellen müssen vorab die richtige Antwort bestätigen, darunter der Brockhaus, der Pschyrembel für die Medizin und Chroniken.

Wie auch in den Dokumentationsabteilungen von Spiegel und Focus gehört das Internetlexikon Wikipedia nicht dazu. Vor neun Jahren verließ sich die Redaktion zuletzt auf die Online-Enzyklopädie – und fiel auf die Nase.

Die Antwort, welcher Nobelpreisträger gleichzeitig in einer Fußball-Nationalmannschaft spielte, erwies sich als falsch: Statt des Dänen Niels Bohr spielte dessen Bruder Harald in der Auswahl, gewann allerdings niemals einen Nobelpreis. Seitdem dürfen die Redakteure Wikipedia nicht mehr verwenden.

„Mit Zusatzjoker oder ohne?“

Als ähnlicher Flop erwies sich der – von Alice Schwarzer mit ihrem im Prominenten-Special erspielten 500.000-Euro-Gewinn bedachte – Frauenhilfsverein Hatun und Can e.V. Das Landgericht Berlin stellte 2011 fest, daß der Vereinsgründer das Geld für eigene Zwecke verwendet habe und verurteilte ihn zu fast fünf Jahren Haft. Sein Verein sei „nur eine Luftnummer“ gewesen.

Zum Erfolgsrezept gehören auch die Konstanz bei den Regeln und der Moderation sowie der Wiedererkennungswert. Seit der Erstausstrahlung 1999 veränderten die Verantwortlichen das Design sechsmal – allerdings jeweils nur geringfügig. Die Joker wurden variiert und erweitert. Dadurch, daß jeder Kandidat aus dem Spiel aussteigen kann, wenn er nicht weiterweiß, profitieren die Teilnehmer.

Im Durchschnitt gewann jeder von ihnen 36.306 Euro (Stand 2012). Wie hartnäckig die Mitspieler jedoch zuweilen sein müssen, um es überhaupt auf den Stuhl gegenüber von Günther Jauch zu schaffen, erzählte im Februar dieses Jahres der älteste Kandidat, der jemals mitmachen durfte.

Der 86jährige Karlheinz Reher hatte sich – so berichtete er – fast 300mal beworben, bevor er sein Wissen auf den Prüfstand stellen lassen durfte. Der lange Atem des Rentners lohnte sich. Am 17. Februar 2014 ging er mit 125.000 Euro mehr in der Tasche glücklich nach Hause.

Wer wird Millionär? Jubiläumssendung am 17. Oktober 2014, RTL, 20.15 Uhr

Foto: WWM-Moderator Günther Jauch: Kein eitler Selbstdarsteller, sondern TV-Star mit Vorbildcharakter

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen