© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/14 / 17. Oktober 2014

Wer macht den Toaster wieder heile?
Trend Reparatur-Café: Gegen die Wegwerfkultur läßt sich was unternehmen
Tobias Dahlmühle

Zum modernen Sagenschatz gehört die Erzählung, daß „die Industrie“ uns Produkte mit absichtlich eingebautem Selbstzerstörungs-Chip verkauft. Ob’s stimmt? Wundern tät’s nicht. „Deutsche Wertarbeit“, die ein Leben lang hält? Das war einmal. Wenn Telefon, Radio oder Toaster ihren Geist aufgeben, landen sie im Restmüll. Eine Reparatur ist nicht vorgesehen. Dasselbe gilt nicht nur für Haushaltsgeräte oder Unterhaltungselektronik: Wer kann denn heute noch Socken stopfen, wo man ein Zehnerpack für unter zehn Euro kaufen kann?

Doch es gibt auch eine Gegenbewegung: In „Repair Cafés“ helfen ehrenamtliche Bastler dabei, den Toaster wieder zusammenzulöten oder den Lieblingspullover wieder zu flicken. Das erste lokale „Krankenhaus“ für Küchenmixer & Co. entstand Ende der zweitausender Jahre in Amsterdam. Von dort ging die Idee um die Welt. Vielerorts nehmen Idealisten Schraubenzieher und Nähgarn zur Hand, um Alltagsgegenstände vor dem Wegwerfen zu bewahren. Allein in Deutschland gibt es zwischen Schleswig und Kempten bereits weit über hundert Reparatur-Cafés.

Geprüft wird alles, was sich hintragen läßt

Das Konzept ist simpel: Die ehrenamtlichen Helfer stellen eine Grundstruktur an Werkzeug und bringen Lötkolben etc. von zu Hause mit. Das Angebot ist grundsätzlich kostenlos, durch Spenden werden benötigte Materialien angeschafft. Kaffee und Kuchen gibt’s dazu. Faustregel: Es wird jedes Gerät repariert, das man alleine zum „Repair Café“ tragen kann. Die kaputte Waschmaschine kommt also nicht in Frage. Jeder unterschreibt einen Haftungsausschluß für Geräte- und Folgeschäden, zum Beispiel wenn der reparierte Toaster daheim einen Kurzschluß verursacht.

Der Schwerpunkt liegt klar auf der Reparatur von Elektrogeräten wie Radio oder WLan-Router. Alles Produkte, bei denen jeder örtliche Elektronik-Großmarkt einen Reparaturauftrag abweisen würde. Jetzt bringt die Studentin ihre Kopfhörer, die nach zwei Monaten schon kaputt sind; die Omi ihr geliebtes Radio, das nach Jahrzehnten treuer Dienste keinen Ton mehr von sich geben will.

An zweiter Stelle der Beliebtheit steht die Fahrradreparatur. Hier agieren die „Repair Cafés“ in einer Nähe zu kommerziellen Dienstleistern, die für Konflikte sorgen kann. Die Initiatoren betonen jedoch, keinesfalls eine Konkurrenz zu regulären Reparaturwerkstätten bilden zu wollen. Darum ist die Bearbeitung von Kfz-Schäden kategorisch ausgeschlossen.

Ebenfalls abgelehnt werden meist sehr komplexe Geräte wie Flachbildschirme oder teure Espresso-Automaten. Das übersteigt dann doch die Kompetenz der Hobbybastler. Diese sind meist ältere Semester, die oft über beruflich erlernte Fähigkeiten verfügen. Doch manchmal haben die Hersteller vorgebaut. Viele Gerätegehäuse, die früher zugeschraubt waren, sind heute verschweißt oder verklebt, so daß sie sich für Do-it-yourself-Tüftler nicht mehr öffnen lassen.

Die Qualität der „Repair Cafés“ ist verschieden. Mancherorts kommt das Projekt kaum über eine Social-Media-Schwärmerei jugendlicher „Aktivisten“ hinaus; woanders sind aber auch Nachbarschaftszentren entstanden, die ihren Sinn praktisch erfüllen. Freilich läuft das Ganze in der Regel unter salbungsvollen Modefloskeln wie „Nachhaltigkeit“ ab. Daß diese Initiativen meist eine linksdrehende Aura haben – geschenkt. Denn der konsumkritische Ansatz ist eigentlich zutiefst konservativ. Und das Erlernen der technischen Tricks und Fertigkeiten allemal sinnvoll.

Foto: Schont Ressourcen, verbessert Technikkenntnisse, bringt Leute zusammen und stärkt die Nachbarschaft: „Repair Cafés“ sind im Kommen

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