© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/14 / 24. Oktober 2014

Der Protest geht weiter
Baden-Württemberg: Mehr Bildungsplan-Gegner als je zuvor demonstrieren in Stuttgart
Hinrich Rohbohm

Mit entsetzten Gesichtern beobachten die beiden ältlichen Frauen von einer Brücke aus den Demonstrationszug durch die Stuttgarter Innenstadt. Die grauhaarigen Damen haben einen Anstecker der Grünen Jugend an ihren Hemden befestigt. Mißmutig müssen sie mit ansehen, wie auf der Straße unter ihnen immer mehr Gegner des grün-roten Bildungsplans an ihnen vorüberziehen.

„Mensch, die sind ja viel mehr als wir. Schau dir das an, da hinten um die Ecke kommen immer noch Leute. Um Gottes willen“, sagt eine von ihnen. Die andere hat genug gesehen. „Ihr gehört alle mit Eisenketten zusammengebunden und dann zu Asche verbrannt“, schreit sie den zahlreichen Familien unten auf der Straße entgegen, ehe sie sich wutschnaubend abwendet und das Weite sucht.

Tatsächlich hatten am vergangenen Sonntag in Stuttgart trotz des Bahnstreiks knapp 3.000 Bildungsplan-Gegner gegen „Gender-Ideologie und Sexualisierung“ protestiert. Ihnen stand eine Gegendemonstration aus 200 Linksradikalen gegenüber. Ein Teilnehmerrekord. Auch wenn die Polizei von lediglich 1.200 Demonstranten spricht. „Wir haben ein elektronisches Zähltor aufgebaut, durch das ihr alle gehen müßt, damit wir die Teilnehmerzahl genau ermitteln können“, erklärt Organisatorin Hedwig von Beverförde den Bildungsplan-Gegnern auf dem Schillerplatz, von wo aus der Demonstrationszug in Richtung Stuttgarter Schloß startet. 500 Polizisten eskortieren die Kritiker der grün-roten Landesregierung, schützen sie vor Angriffen gewaltbereiter Störer aus den Reihen der linksextremen Antifa, die gemeinsam mit der Gewerkschaft verdi gegen die Protestler mobilisiert hatte. Einige Polizisten werden von ihnen bespuckt und mit Stinkbomben beworfen.

„Es gibt kein Recht auf rechte Propaganda“, rufen die Gegendemonstranten. Ob es auch kein Recht auf linke Propaganda gebe, will ein Bildungsplan-Gegner von einem der Störer wissen. Eine Antwort darauf erhält er nicht. „Bist du ein Faschist, daß du mir so eine Frage stellst?“ wird er angebrüllt, ehe die Antwort des Störers folgt: „Ja, du bist ein Faschist.“

„Laßt euch nicht provozieren“, appelliert dagegen Hedwig von Beverförde an die Gender-Kritiker, die auch von Politikern der CDU und der AfD unterstützt werden. Neben den Christdemokraten für das Leben (CDL) schlossen sich auch der Christdemokrat Karl-Christian Hausmann, ein Vertreter des Evangelischen Arbeitskreises der Union (EAK) sowie der stellvertretende Bundessprecher der Jungen Alternative für Deutschland, Markus Frohnmeier, dem Protest gegen die grün-rote Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an. Dieser wird auf einem Plakat als „Gender Ma(i)n“ bezeichnet. „Indoktrination stoppen“ steht auf anderen Protestschildern. Zahlreiche Familien sind mit ihren Kindern gekommen, die blaue und rosafarbene Luftballons mitgebracht haben.

„Wir müssen unsere Kinder vor diesem Irrsinn schützen“, fordert einer der Protestler. Schließlich könne es nicht sein, daß Lehrpläne bereits im Grundschulalter Rollenspiele vorsehen, bei denen die Kleinen sexuelle „Lieblingsstellungen“ zeigen und Massagen üben müßten.

Schon im Vorfeld der Demonstration hatten Kinderschützer Alarm geschlagen. Denn die Vordenker des Bildungsplans würden gerade jenen Kreisen entstammen, die auch im Zusammenhang mit Verstrickungen der Grünen in die Pädophilen-Szene stünden. Unterdessen verwahrt sich das baden-württembergische Kultusministerium gegen den Vorwurf, mit seinem Bildungsplan eine „Sexualisierung der Schule“ anzustreben. Die Kritiker würden mit den Ängsten von Eltern spielen, „um ihrer Ideologie zu entsprechen und ihre Anhänger anzuheizen“.

SPD und Grüne fordern von der CDU, sich von den Bildungsplan-Kritikern zu distanzieren. CDU-Landeschef Thomas Strobl müsse klarstellen, „ob er nur Modernität für seine Partei proklamiert oder ob diese auch gelebt wird“, kritisierte die baden-württembergische SPD-Generalsekretärin Katja Mast. Der grüne Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand warf der Union vor, sich an die Seite von AfD und ultrakonservativen Verbänden und Personen zu stellen, die nur die traditionelle Familie als wahre Familie anerkennen würden und für die Homosexualität eine Krankheit sei.

Foto: Demonstrationszug von Bildungsplan-Gegnern in Stuttgart: „Bist du ein Faschist?“

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