© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/14 / 24. Oktober 2014

Poroschenko macht’s möglich
Ukraine: Kurz vor der Parlamentswahl führt der Block des Präsidenten die Umfragen unangefochten an
Billx Six

Kein Zweifel. Petro Poroschenko, seit Juni neuer Präsident der Ukraine, ist der Sieger des Maidan-Aufstands. Unter seiner Führung nabelt sich das Land nun zusehends von Moskau ab. Der gewaltsamen, wenngleich unblutigen Räumung des Protestplatzes in Kiews Innenstadt im August zum Trotze erfüllte Poroschenko dazu nachträglich eine der letzten Forderungen der Revolutionäre: Das Parlament, die „Werchowna Rada“, ist per Dekret am 25. August vorzeitig aufgelöst worden. Nun stehen am 26. Oktober Neuwahlen an.

29 Parteien buhlen um Stimmen. Daß die im Februar von der Opposition zurückerkämpfte Verfassung aus der Juschtschenko-Zeit (2004–2010) eine starke Volksvertretung und ein schwaches Staatsoberhaupt verlangt, scheint längst vergessen. Poroschenko hatte die Rada als „fünfte Kolonne“ einer fremden Macht, sprich Rußland, bezeichnet, da sich die Abgeordneten mehrheitlich dem Antrag widersetzten, die separatistischen „Volksrepubliken“ im Osten als Terrorgruppen einzustufen. Ein „Sühneopfer“, die Entfernung von Funktionären aus der Zeit des gestürzten Präsidenten Janukowitsch – das hatten regelmäßig Protestler vor dem Abgeordnetenhaus gefordert.

In der vergangenen Woche geriet dann eine Demonstration der nationalistischen „Swoboda“-Partei außer Kontrolle. Ein Kontaktmann der JUNGEN FREIHEIT berichtet, die Partei habe ukrainische Patrioten aus allen Landesteilen mit Bussen angekarrt. „Nationalistische Anarchisten“ hätten die Menschenmassen für Feuerwerkangriffe auf die Polizei genutzt, nachdem das Parlament in seiner letzten Sitzung mehrheitlich gegen die Ehrung antisowjetischer Partisanen im Zweiten Weltkrieg als Nationalhelden gestimmt hatte. Der radikalen Rechten drohen nun herbe Verluste.

Der „Partei der Regionen“ droht gar das komplette Aus. Das implodierte Sammelbecken der früheren Janukowitsch-Anhänger wurde noch 2012 mit 30 Prozent stärkste Kraft, vor allem dank Wählerstimmen aus dem Osten. Jetzt verweigert die politische Formation ihre Teilnahme, da der Krieg im Donezbecken vielen die Stimmabgabe unmöglich mache. Tatsächlich sind 14,3 Prozent der 35,5 Millionen Wähler im Donbass zuhause. Auch die Teilnahme der 5,1 Prozent Stimmberechtigten der russisch annektierten Krim ist rein theoretischer Natur – sie dürfen in jedem beliebigen Wahllokal auf dem Festland abstimmen. Doch die zehn bisherigen Wahlkreise sind künftig nicht mehr im Parlament vertreten. Das absehbare Übergewicht westukrainischer Interessen droht die Spaltung weiter zu vertiefen.

Laut Umfragen liegt der „Poroschenko-Block“ mit 30 bis 45 Prozent in Führung, gefolgt von der „Radikalen Partei“ des Euromaidan-Anhängers Lyaschko. Ex-Ministerpäsidentin Julia Timoschenko scheint trotz eines millionenschweren Wahlkampfbudgets mit sechs bis zwölf Prozent weit abgeschlagen.

Anton betreibt einen der Stände der „Eisprinzessin“. Zu den Hochglanz-Broschüren für eine schnelle Nato-Mitgliedschaft kann er nichts sagen. Er stehe für die versprochenen 200 Griwna Tagessatz hier. Rund 11,90 Euro. Seine Frage zum Abschied: „Hast du Geld für Schnaps?“

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