© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/14 / 24. Oktober 2014

Auf Iveta konnte er nicht bauen
EU-Parlament: Mit ihrem Austritt aus der EFDD-Fraktion torpedierte die Lettin Grigule die EU-Pläne Nigel Farages, doch der Ukip-Chef präsentiert Ersatz
Fabio Collovati

Ihren großen Auftritt wollte Iveta Grigule zumindest öffentlich nicht feiern. Die lettische EU-Abgeordnete tauchte ab. Dabei genoß die Hinterbänklerin in den vergangenen Tagen beträchtliche Aufmerksamkeit. Ihrem Auftritt ist es zu verdanken, daß die EU-kritische Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ (EFDD) bereits nach drei Monaten Geschichte ist.

Nun standen vor allem Nigel Farage, Chef der britischen Unabhängigkeitspartei Ukip, und Beppe Grillo, Vorsitzender der italienischen Protestbewegung Fünf Sterne, mit leeren Händen da. Kenner der Szene im Europaparlament sind nicht sonderlich überrascht. Denn für die Bildung einer Fraktion im EU-Parlament sind zumindest 25 Abgeordnete und sieben Nationen vonnöten.

Die EFDD-Fraktion wurde von Beginn an wackelig eingeschätzt. Ihr gehörte nicht nur Grigule als Einzelperson an, sondern auch die Französin Joëlle Bergeron, die früher beim Front National aktiv war, die Partei nach einem Zerwürfnis mit der Vorsitzenden Marine Le Pen aber verließ. Farage und Grillo, die Wortführer der nun geplatzten Fraktion, machen den Sozialisten Martin Schulz verantwortlich. Der Präsident des Europaparlaments habe Grigule unter Druck gesetzt, die Fraktion zu verlassen, damit sie im Gegenzug den Vorsitz einer Parlamentsabordnung erhält, die sich um die Beziehungen zu Zentralasien kümmert. Der „Hinterzimmerhandel“ zeige, daß es im EU-Parlament „wie in einer Bananenrepublik“ zugehe, tobte Farage. Ein Sprecher von Schulz nannte diese Vorwürfe „an den Haaren herbeigezogen“.

Doch das Straßburger Geschäft ist schnellebig. Die alte Fraktion ist kaum tot, da lebt bereits die neue. Zu Wochenbeginn verkündete Farage, daß der bisher fraktionslose polnische EU-Abgeordnete Robert Jaroslaw Iwaszkiewicz vom Kongreß der Neuen Rechten zu der Gruppe gestoßen sei. Die Parlamentsführung muß nun die Bildung einer neuen Fraktion prüfen, die bisherige bleibt auf jeden Fall aufgelöst.

Mit großer Aufmerksamkeit wurden die Vorkommnisse in den Reihen der europäischen Rechtsparteien registriert, die bei der Fraktionsbildung leer ausgegangen waren. „Jede Bewegung ist interessant für uns“, erklärte Harald Vilimsky, Gruppensprecher der FPÖ in Straßburg. Mit ihren Partnern, dem französischen Front National von Marine Le Pen, der PVV des Niederländers Geert Wilders, der italienischen Lega Nord und dem flämischen Vlaams Belang hatte die FPÖ im Sommer vor allem um die Schwedendemokraten und die Wahren Finnen gebuhlt. Während letztere mit den britischen Tories und der Alternative für Deutschland zusammengingen, schlossen sich die Schwedendemokraten der EFDD an. Gespräche zwischen den Skandinaviern und den Österreichern hatte es mehrfach gegeben, diese störten sich aber am französischen Front National.

Daß nun ausgerechnet ein Pole der „Neuen Rechten“ die ursprünglich gemäßigte Fraktion wieder zusammenführt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Schließlich verhandelte die Partei im Sommer auch mit dem Front National. Doch die polnischen Forderungen nach einer Abschaffung des Frauenwahlrechts und die homosexuellenfeindliche und antisemitische Einstellung des exzentrischen Parteichefs Janusz R. Korwin-Mikke veranlaßten Le Pen, von einem Bündnis Abstand zu nehmen. Entsprechend reagierte die Französin am Dienstag. „Farage und die Schwedendemokraten haben tolle neue Freunde. Nun wissen wir, wo die wahren Extremisten sitzen.“

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