© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/14 / 31. Oktober 2014

Gewalt ist ihr Hobby
Köln: Die im Krawall endende Demonstration „Hooligans gegen Salafisten“ überrascht Polizei und Antifa in ihrer Dimension
Hinrich Rohbohm

Der Mann am Mikrophon schreit sich die Kehle heiser. „Macht keinen Scheiß, kommt zurück, laßt euch nicht provozieren, das wollen die doch nur“, ruft er. Doch niemand hört auf ihn. Wie von Sinnen gehen Chaoten auf einen Polizeitransporter los, schaukeln ihn solange hin und her, bis er schließlich umkippt.

Jubel bricht aus bei den Teilnehmern der Demonstration „Hooligans gegen Salafisten“, bei der sich am vergangenen Sonntag teilweise bürgerkriegsähnliche Szenen rund um den Kölner Hauptbahnhof abspielten. Wie sehr die Polizei die Proteste unterschätzt hatte, machen Zahlen deutlich. Mit 1.500 Demonstranten hatten die Beamten gerechnet. Obwohl sich in den sozialen Netzwerken im Internet 7.000 ankündigten. Es kommen mehr als 4.000 auf den Breslauer Platz, denen lediglich 1.000 Polizeibeamte gegenüberstehen.

Viele stammen aus Fangruppen von Fußballvereinen, gehören zur Hooligan-Szene. Leute, die sich zumeist nicht sonderlich für Politik interessieren. Für die Schlägereien ein Hobby ist, das sie nach Fußballspielen mit rivalisierenden Fangruppen ausleben. Diesmal ist das anders. Diesmal haben sie sich zusammengeschlossen um gegen die islamistischen Salafisten zu demonstrieren. Ein Anliegen, das normalerweise auch viele Kölner unterstützt hätten. „Aber wer wie wild auf alles einschlägt, was sich bewegt, ist selbst nicht besser“, meint ein Passant, als er die wütenden Attacken der Chaoten sieht.

Nicht nur Hooligans sind dabei. Rechtsextremisten haben sich ebenso unter die Demonstranten gemischt wie Rockerbanden aus den Reihen der Hells Angels und der Bandidos. Selbst einige Linksextremisten sollen sich beteiligt haben. Die überwiegende Mehrheit von ihnen hatte sich indes auf der anderen Seite des Hauptbahnhofs eingefunden. Dort haben Linkspartei und Gewerkschaften auf dem Bahnhofsvorplatz zu einer Gegendemonstration aufgerufen.

Bomberjacken und schwarze Sonnenbrillen

Rund 500 Leute sind gekommen. Viele mit roten und schwarzen Antifa-Fahnen. Marihuana-Geruch durchzieht die Luft. Gelegentlich versuchen Hooligans herüberzukommen. Dann bricht Unruhe aus unter den Gegendemonstranten. Sie wissen um die Brutalität dieser Gruppen. Und halten sich mit ihren sonst oft selbst ausgeübten Gewaltattacken zurück.

„Kommt her zu mir, Antifa, kommt zu mir, ich habe Hunger“, ruft ein hochgewachsener Muskelprotz mit kahlgeschorenem und tätowiertem Schädel ihnen entgegen, ehe ihn die Polizei wieder zurück auf die Seite der Hooligan-Demo drängt, auf der nicht wenige solcher furchteinflößender Gestalten herumlaufen. Sie tragen Bomberjacken und schwarze Sonnenbrillen. Einige verstecken ihre Gesichter unter schwarzen Schals.

„Hey, Bulli, du auch hier“, begrüßt ein an Armen, Hals und Händen tätowierter Mann einen Bekannten, dessen Gesicht mit Narben übersät ist. Statt sich die Hände zu schütteln, halten sie als „Hallo“ die Fäuste gegeneinander. Wenige Meter neben ihnen steht eine Gruppe schwarzgekleideter Sonnenbrillenträger, die mit ihren kahlgeschorenen Köpfen und den Dreitagebärten ein wenig an die Panzerknackerbande aus Donald Duck-Comics erinnern. Auf dem Boden haben sie mehrere Packungen Dosenbier abgelegt, mit dem sie sich aufputschen.

Anfangs ertönen noch Deutschland-Rufe, wie Fans sie auch bei Fußball-Länderspielen skandieren. Später rufen sie dann: „Wir wollen keine Salafistenschweine.“

Der Demonstrationszug ist keine 500 Meter weit gekommen, als es zum ersten Zwischenfall kommt. Zwei verschleierte Frauen zeigen sich am Fenster eines Mehrfamilienhauses. Böller werden gezündet, Bierflaschen zersplittern an der Hauswand.

Steine und Fahrräder fliegen durch die Luft

Immer wieder versuchen einzelne Gruppen, aus dem von der Polizei eskortierten Demonstrationszug auszubrechen. Am Rheinufer gelingt das schließlich. Etwa 50 teilweise vermummte Hooligans setzen sich in eine Seitenstraße ab. Einige Einsatzkräfte nehmen die Verfolgung auf. Schreie sind zu hören, das Klirren von Glas und knallende Feuerwerkskörper. Journalisten werden angerempelt, mit Bierflaschen attackiert und am Fotografieren gehindert.

Von der Antifa, sonst stets in Seitenstraßen präsent, um Demonstrationen Andersdenkender mit Farbbeutelattacken und Trillerpfeifen zu stören, fehlt dieses Mal jede Spur. Auch die teils bereits alkoholisierten Hooligans merken das. „Wo ist die Antifa, schalalalala“, rufen sie zum Hohn.

Dann, kurz vor der Rückkehr auf den Breslauer Platz, bricht das Chaos aus. Die Einsatzkräfte können die Hooligan-Massen nicht mehr zurückhalten, die Polizeikette wird durchbrochen. Ein Linienbus ist plötzlich in der rasenden Menge gefangen, aus der heraus einige wild mit den Fäusten gegen das Fahrzeug hämmern, es vergeblich schütteln, um es zum Umkippen zu bringen. Steine, Flaschen, Fahrräder und andere nicht näher auszumachende Gegenstände fliegen durch die Luft, Passanten werden scheinbar wahllos von einem Mob attackiert. Polizistinnen sind zu sehen, die mit angsterfülltem Blick wie paralysiert die Szenerie unter ihren Schutzhelmen verfolgen.

Geschäfte am Hauptbahnhof haben ihre Läden geschlossen. Sicherheitspersonal der Bahn eilt herbei, reiht sich am Bahnhofsausgang in die Polizeikette ein, um Fahrgäste zu schützen, von denen viele an den Gleisen stehen und von dort die Straßenschlacht beobachten. Viele haben ihre Mobiltelefone gezückt, machen Fotos. Erst als die Polizei Wasserwerfer und Schlagstöcke einsetzt, bekommt sie die Situation unter Kontrolle.

„Mein Mitgefühl gilt den verletzten Polizisten“

Die Bilanz: 44 verletzte Polizisten, 17 Festnahmen. „Die haben wie die Wahnsinnigen gegen unsere Eingangstür gehämmert“, berichtet die Rezeptionistin eines Hotels. Passanten am Rheinufer zeigen sich angesichts der Brutalität der Schläger schockiert. „Das Anliegen, gegen die mordenden Salafisten zu demonstrieren, ist ja eigentlich richtig. Aber diese Leute hier diskreditieren das doch mit ihrer Gewalt“, meint einer.

Islamkritiker wie die Bürgerbewegung Pro NRW sehen das ähnlich, distanzieren sich von der Demonstration. „Mein Mitgefühl gilt den verletzten Polizeibeamten“, erklärt deren Vorsitzender Markus Beisicht. Gewalt könne niemals Mittel der Politik sein. Teile der Hooliganszene und ihrer „extremistischen Trittbrettfahrer“ hätten einer seriösen Islamkritik einen „Bärendienst“ erwiesen. Das Problem für Pro NRW: eines ihrer Mitglieder hatte die Demonstration angemeldet. Der wurde zwar zurückgepfiffen. In der Medienberichterstattung dürfte dieses Detail jedoch schnell untergehen.

Foto: Hooligans werfen ein Polizeifahrzeug um; Demonstrationszug durch Köln: „Wer wild auf alles einschlägt, was sich bewegt, ist selbst nicht besser“

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen