© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/14 / 31. Oktober 2014

Gegen Aufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Die neueste Stellungnahme von Alice Schwarzer zum Thema Islamismus, Unterdrückung der Frau, „Rekonstruktion der Männlichkeit“ und fehlender Verwestlichung der Einwanderer läßt nur einen Schluß zu: Die Frau wird nicht klug.

„Was eine Macht hervorbringt, ist nicht allein die Intensität, sondern auch die Ausrichtung.“ (Maurice Barrès)

Das von der Neuen Zürcher Zeitung veranstaltete Podiumsgespräch zum Thema „Europas ‘Weltmeister’ – das deutsche Momentum“ hat der Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg eingeleitet. Man kann gegen Muschg das eine oder andere sagen, aber er gehört zu den – wenigen – ehrlichen Freunden unseres Volkes in der Fremde, hat das auch in der Zeit der Teilung zum Ausdruck gebracht, als er sie unerträglich nannte. In der Rede kommt vieles vor, was man an dieser Stelle erwarten darf, manches, was eher überrascht, vor allem die Verknüpfung mit kulturkritischen Einlassungen, aber interessanter ist noch das Unausgesprochene, ein gewisser Ton, den Muschg mitschwingen läßt, so als ob von den Deutschen noch etwas erwartet werden darf, das jenseits des „unangenehm Realistischen“ liegt.

Die Debatte um den Zustand der militärischen Ausrüstung erinnert an zwei Gespräche, das eine vor mehr als zwanzig Jahren mit einem Offizier der Instandsetzungstruppe, der beklagte, er müsse manchmal aus eigentlich funktionstüchtigen Fahrzeugen Teile ausbauen, um andere zu reparieren, vor fünf Jahren mit einem anderen, der im Auslandseinsatz war und berichtete, die Truppe nutze bevorzugt Ferngläser, die eine Kaffeefirma nebenher anbiete und die man sich aus der Heimat schicken lasse. Auch hier gilt eben: Gegenauslese rächt sich.

„Eine einzige Person, die weiß, was sie will, wohin sie geht, ist stärker als die Unordnung von fünfhundert Besessenen. Selbst ihre Zusammenhanglosigkeit hilft, stärkt den Mann, der sich seiner selbst sicher ist.“ (Maurice Barrès)

Wer ein weiteres Beispiel für den steten Niedergang der politischen Debatte in Deutschland sucht, kann beim Blick auf die Art und Weise fündig werden, wie auf den stetig anschwellenden Zustrom von Flüchtlingen reagiert wird. Offenbar sind wir nun so weit, daß nur noch ein Henryk M. Broder laut zu sagen wagt, daß „wir“ für dieses Elend nicht verantwortlich sind und insofern auch keine irgendwie geartete Pflicht zu seiner Bewältigung besteht. Der Kern der Sache ist das aber nicht: der besteht in einer wirklichkeitsfremden Auffassung der Menschenrechte einerseits, von Ignoranz gegenüber dem ursprünglichen Sinn des Asylrechts andererseits.

Das Jammern über die Streiks der Lokomotivführer hat eine andere Qualität als das Jammern über die Streiks der Piloten. Im Hinterkopf des Durchschnittsdeutschen spukt immer noch der Gedanke, daß die Bahn eine Art Transportpflicht habe, aber im Frühling des Neoliberalismus, als jedermann von den Segnungen der Privatisierung überzeugt wurde (obwohl die auf dem Feld der Eisenbahn noch nie funktionierte), hat man unter allgemeinem Beifall den Bediensteten den Beamtenstatus oder die Aussicht darauf genommen. Das senkte nicht nur Qualität und Zuverlässigkeit, sondern hatte eine Konsequenz auch darin, daß nun auf dem freien Markt getan wird, was auf dem freien Markt getan werden kann: agieren aus einer Minderheitsposition mit dramatischen Auswirkungen und ohne Rücksicht auf das Ganze, das in der Perspektive der Handelnden gar nicht existiert.

Bildungsbericht in loser Folge

LXVI: Die Untersuchung des Londoner King’s College zum Einfluß der Vererbung auf die Intelligenz und den Schulerfolg hält keine Überraschungen bereit. Wie man bei der Untersuchung von eineiigen Zwillingen erneut bestätigt fand, hängen IQ und genetische Ausstattung des Menschen eng miteinander zusammen, ist daran durch das Milieu nur relativ wenig zu ändern. Originell ist allerdings die Schlußfolgerung der Forschergruppe, warum eine weitere Vereinheitlichung des Ausbildungssystems eher kontraproduktiv wäre. Dann gäbe es faktisch gar keine Ausrede mehr für das Scheitern des Kindes: „Wenn alle Umwelteffekte wie Bildungsungleichheit minimiert werden könnten, dann läge der genetische Einfluß auf den Bildungserfolg bei 100 Prozent.“

Es erleichtert das Leben sehr, wenn man voraussetzt, daß die anderen wissen, was sie tun.

Die höchstrichterlich abgesegneten Reparationswünsche Italiens, Frankreichs Begehr, Berlin möge 50 Milliarden lockermachen und der Wutausbruch des britischen Premierministers angesichts der Forderung, die finanziellen Spielregeln einzuhalten, haben einen gemeinsamen Nenner: Europa ist, wenn Deutschland zahlt.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 14. November in der JF-Ausgabe 47/14.

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