© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/14 / 07. November 2014

Sie wollen nur unser Geld
Aus für Bankgeheimnis: Der Kampf gegen Steuerhinterzieher ist nur ein Vorwand
Henning Lindhoff

Eigentlich eine klare Ansage: „Der Bankkunde hat ein Recht auf Schutz seiner ökonomischen Privatsphäre, die Bank hat somit die Pflicht, über alle Tatsachen, die ihre Kunden betreffen, Verschwiegenheit zu wahren.“ Mit diesen Worten definiert die Schweizerische Bankiervereinigung das Bankgeheimnis. Laut dem Bankgesetz drohen Angestellten der Geldinstitute sogar Haftstrafen von bis zu drei Jahren und Geldstrafen von bis zu 250.000 Schweizer Franken, wenn sie fahrlässig Daten ihrer Kunden an private oder staatliche Dritte preisgeben.

Die Schweizer Gesetzeslage war und ist ein großartiges Vorbild. Doch auch diese Festung wird nun geschliffen. „Die Ära des Bankgeheimnisses ist vorbei“, verkünden Vertreter der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bereits euphorisch. „Common Reporting Standard“ heißt der neueste Geniestreich der internationalen Gesellschaftsingenieure. Auf nahezu fünfzig Seiten haben sie ihren „Hexenhammer“ zusammengefaßt. Das Ziel: Die Finanzen der Bürger sollen durchleuchtet werden. Gründlich und nicht nur bei Verdacht von Straftaten. Vertreter von mehr als 40 Regierungen haben sich dem angeschlossen.

Die Instrumente für diese Form der Überwachung liegen bereits seit geraumer Zeit auf dem Silbertablett. Die digitale Kommunikation zwischen Finanzdienstleistern und ihren Kunden ist angesichts der Macht von NSA und anderen Geheimdiensten schon lange nicht mehr sicher. Keine Verschlüsselungstechnik ist vor den digital hochgerüsteten Schlapphüten noch sicher.

Über das Projekt „Bullrun“ soll die NSA zudem verdeckt Einfluß auf IT-Unternehmen genommen und offen die Entwicklung von Verschlüsselungsprogrammen gesteuert haben. Der Bock wurde zum Gärtner. Juristisches Vorbild für die beschlossene faktische Abschaffung des Bankgeheiminisses ist der seit Jahren ausufernde „Foreign Account Tax Compliance Act“ der amerikanischen Regierung, dem sich zuletzt auch die Schweiz angeschlossen hatte. Dieses Steuergesetz verpflichtet weltweit Banken, die Daten ihrer Kunden an die US-Behörden abzugeben.

Doch das Regelwerk der OECD geht weiter. Beginnend im Jahr 2017 werden in jährlichen Abständen Daten über Kapitalerträge, Kontostände und Vermögenswerte der Betroffenen auf Regierungsebene ausgetauscht. Auch juristische Personen, wie vor allem Stiftungen, sollen auf diese Weise durchleuchtet werden. Der für die Steuereintreiber gläserne Bürger wird damit zur Realität. Weltweit.

OECD-Generalsekretär José Ángel Gurría verspricht sich von dem neuen System nichts weniger als einen „Quantensprung im weltweiten Kampf gegen den Steuerbetrug“. Der Lockstoff für das wählende Fußvolk schwirrt bereits durch die Luft: Konzerne, die international Gewinne machen, sollen zukünftig auch international besteuert werden. Google, Apple, Amazon und Konsorten werden stärker zur Kasse gebeten. Doch sie stellen in diesem Spiel nur den Köder dar, der den Bürgern die steuergeldrelevante Totalüberwachung der Zukunft schmackhaft machen soll.

Jedem Steuerzahler ist in Zukunft also mehr denn je zur Vorsicht geraten. Innerhalb des Honecker-Barocks der Finanzamtsstuben der Republik mögen die verbeamteten Vollstrecker der Staatsmacht und ihr Gehabe recht possierlich wirken. Doch hinter dieser schnuckeligen Kulisse schaltet und waltet ein mächtiger Apparat – international.

Dabei hüllt sich dieser Apparat in kuschelige Slogans. „Don’t be evil“, sagt Google. „Bessere Politik für ein besseres Leben“, sagt die OECD. Nehmen wir sie also beim Wort. Wie könnte eine solch gute Politik aussehen? Wie müßten sich Politiker verhalten, damit die Menschen ein wahrlich besseres Leben führen können?

Zuallererst müßten sich die Volksvertreter in Bescheidenheit üben. Die Regierungen müßten sich mäßigen. Staatliche Ausgaben müßten massiv gesenkt und die Interventionsspirale müßte kraftvoll zurückgedreht werden. Regierungen sollten wieder eine Position der Demut gegenüber den Souveränen einnehmen, ihnen ein leicht verständliches Steuersystem ohne juristische Minenfelder anbieten und sich vor allem mit einem geringen Obolus zufriedengeben.

Doch der Weg zu einer solchen Politik ist lang. Und er wird immer länger vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen. Zu Beginn der Reise stünde die Erkenntnis, daß das Geld demjenigen gehört, der es erarbeitet. Zwar wird es im aktuell krankhaften Finanzsystem vom Staat und seinen Bütteln in beliebiger Menge vervielfacht.

Dennoch ist jeder Geldschein, den der Arbeiter in seinen Händen hält, seine manifestierte Arbeitskraft. Die Früchte seiner Mühen gehören ihm. Sie gehören nicht Wolfgang Schäuble. Und sie gehören auch keinem anderen Bürokraten dieser Welt.

Im Zuge dieses Erkenntnisprozesses muß auch der unsägliche Begriff des „Steuerprivilegs“ entzaubert werden. Es besteht kein Privileg, kein Vorrecht darin, erarbeitetes Geld und Vermögen nicht an eine Regierung abtreten zu müssen. Wer anders denkt, müßte sich auch nach jedem Spaziergang glücklich schätzen, nicht ausgeraubt worden zu sein.

Die Regierung und ihre Bürokraten sind es, die sich privilegiert, ja geehrt fühlen sollten, sobald sich auch nur ein einziger Bürger dazu bereit erklärt, ihnen ein Gnadenbrot für ihre Dienste zukommen zu lassen. Dies ist die Prämisse des sich selbst bewußten Souveräns. Dies ist sein Fels, seine Burg, das Horn seines Heils.

 

Henning Lindhoff ist stellvertretender Chefredakteur des Monatsmagazins eigentümlich frei

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