© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/14 / 07. November 2014

Grüße aus aus Paris
Tabubruch füllt die Kassen
Olivier Renault

Beim Schlendern über den Boulevard Saint-Germain fällt es mir gar nicht auf. Die Pariser in den reichen Vierteln genießen den Frühling im November. Die Blicke sind entspannt und zufrieden. Daß sich so viele Pariser Gedanken über den Selbstmord machen schockiert. Doch nicht ihr, sondern der Suizid des Staates treibt viele um.

Eric Zemmours Buch „Der französiche Selbstmord“ ist in aller Munde. Doch für die einen ist der Journalist mit jüdisch-algerischen Wurzeln ein Nazi, für die anderen ein Mann klarer Worte. Der wie kein anderer die Probleme des Landes auf den Punkt bringt. Ob 68er-Revolution, Emanzipation, Gutmenschentum, Masseneinwanderung, Islamisierung oder bürgerliche Elite – alle seien die Totengräber der Nation. Gerade letztere, so Zemmour genüßlich, sei jäh aus dem Schlaf geweckt worden, als Genderpolitik und Masseneinwanderung an ihre Wohnungstür geklopft hätten.

Ein Kunde wollte wissen, ob das Buch „Frankreichs Suizid“ nicht verboten sei.

Pro Tag gehen 20.000 Bücher über den Ladentisch. Tendenz steigend. In der Buchhandlung „L’Ecume des Pages“ auf dem Boulevard Saint-Germain verweist ein Verkäufer augenzwinkernd auf einen Interessenten, der wissen wollte, ob das Buch aufgrund seiner Brisanz und der Zensur im Lande überhaupt angeboten werde. Auch in der „Librairie Galignani“ an der Rue de Rivoli und der „Librairie Delamain“ im Pariser Zentrum, die pikanterweise ihre Miete nicht mehr zahlen kann, seitdem ein Investor aus Qatar das Haus übernommen hat, berichten die Verkäufer über eine rege Nachfrage.

Dagegen herrscht in vielen Randbezirken der Stadt Funkstille. Der Inhaber der Buchhandlung „Jonas“ in Villejuif macht keinen Hehl daraus, Zemmours „Machwerk“ nicht zu verkaufen. „Dieses Buch hetzt alle Menschen gegeneinander auf. Es ist nicht gut und gefährlich“, erklärt er und fügt hinzu: „Hier sind wir von der Tradition her eher Kommunisten.“ Statt dessen solle ich doch das neue Buch von Edwy Plenel, einem ehemaligen Trotzkisten und vormaligen Direktor von Le Monde erwerben, der mit seinem Werk „Pour les musulmans“ (Für die Moslems) ein Plädoyer für die Integration der Moslems in Frankreich geschrieben hat.

Die Buchhandlung „Gibert Jeune“ im Quartier Latin dagegen bietet Zemmours Werk an, doch der Verkäufer mit afrikanischen Wurzeln erklärt siegessicher: „Die Leute, die das Buch kaufen, sind mindetens 40.“ Jugendliche interessierten sich nicht dafür.

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