© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/14 / 07. November 2014

So lügt die Wärmedämmungslobby
Ökomediales Netzwerk: Politik und Wirtschaft wollen Bürger zu ihrem Glück zwingen / Vorsicht bei Informationen aus dem Internet
Ronald Gläser

Haushalte mit einem kleinen Einkommen werden durch die Wärmedämmung am stärksten belastet. Bis zu zwanzig Prozent steigen die Wohnkosten durch eine Sanierung. Angeblich sinken im Gegenzug die Heizkosten. Aber stimmt das auch? Mit solchen Versprechen wirbt die Baubranche für energetische Gebäudesanierung. Doch die Dämmung hat gleich zwei Haken: Zum einen geht die Rechnung oft nicht auf. Zum anderen birgt gerade die Dämmung mit Styropor enorme Risiken.

Egal, ob Mieter oder Eigentümer: Jeder, der einmal in einem Haus gewohnt hat, das saniert worden ist, kennt die optimistischen Prognosen, wie die Heizkosten sinken. 20, 30, 40 Prozent – keine Zahl scheint hoch genug. Die Deutsche Auftragsagentur (DAA) etwa, die über daemmen-und-sanieren.de Aufträge an Handwerker vermittelt, verspricht dem Inhaber eines klassischen, freistehenden Einfamilienhauses aus der Zwischenkriegszeit (120 Quadratmeter, zwei Stockwerke, ältere Heizung) sagenhafte 42 Prozent Ersparnis. Einklagbar sind solche Versprechen natürlich nicht.

Dafür wird um so lauter getrommelt: Eine Vielzahl von Lobbyvereinen und PR-Agenturen bemüht sich in unzähligen Webseiten darum, den Deutschen die Wärmedämmung schmackhaft zu machen. Die Welt hat im Oktober in einem Artikel über das Milliardengeschäft der „Dämm-Lobby“ berichtet und dabei die Geschäftsfelder der staatlichen Deutschen Energie-Agentur (Dena) beleuchtet, die 19 Millionen Euro Umsatz pro Jahr macht und PR-Kampagnen wie „Die Hauswende“ oder „Dämmen lohnt sich“ fördert.

Die letztgenannte Aktion wird zudem wesentlich von den Herstellern der Dämmaterialien finanziert. Sie wirbt mit dem früheren Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert, der sich in Broschüren und in TV-Spots für eine „drastische Senkung des Energieverbrauchs“ stark macht. Doch die Verquickungen von Dena (Inhaber: Bundesrepublik Deutschland und diverse Finanzinstitute als Minderheitseigentümer) und der Zuliefererindustrie aus der Bauwirtschaft sind nur ein Teil der Geschichte. Eine WDR-Veröffentlichung vom Montag wirft zusätzlich ein schlechtes Licht auf den Wirtschaftszweig: Demnach ermittelt das Bundeskartellamt gegen zwei Verbände und 20 Firmengruppen der Dämmstoffbranche wegen illegaler Preisabsprachen – und zwar seit 1998.

Es gibt unabhängig von diesen möglichen Gesetzesverstößen viele weitere Firmen, die ganz legal von den Milliarden profitieren, die in die Wärmedämmungen investiert werden. Meistens steckt nicht nur die Privatwirtschaft, sondern auch der Staat – direkt oder indirekt – als Eigentümer dahinter. So prangen dezent auf der Webseite der Energieberatungsagentur Energieheld, die ein ähnliches Geschäftsmodell hat wie die DAA betreibt, dezent die Links der EU und zweier staatlicher Organisationen aus Niedersachsen. Auch die gemeinnützige GmbH CO2online, die verspricht, daß sich durch eine Wärmedämmung „fast die Hälfte der Heizkosten“ einsparen ließe, wird gefördert durch die EU und das Bundesumweltministerium.

Vermeintlich unabhängige Netzseiten verbreiten PR

Andere Experten in Sachen Wärmedämmung sind nicht immer gleich als halbamtliche PR-Propagandisten zu erkennen. Die Webseite klimaretter.info etwa ist formal Tochter eines privaten Unternehmens, nämlich des Berliner Gutwetter-Verlages.

Doch hinter dem positiven Namen verbirgt sich eine auf grüne Themen spezialisierte Agentur. Einer der Gesellschafter des Verlages ist der Münchner Journalist Marco Eisenack, auf den die Domain registriert ist und der als Ansprechpartner fungiert. Dieser Ex-SZ-Journalist ist auch Inhaber der Medienagentur Textbau.

Zu ihren Kunden gehören namhafte Sender und Publikationen wie Spiegel und Zeit, aber auch ein Ökologisches Bildungszentrum oder die Organisatoren der Münchner Veranstaltungsreihe Klimaherbst, für die Textbau eine Zeitschrift konzipiert. Das ist alles nicht ehrenrührig, klingt aber auch nicht nach journalistischer Unabhängigkeit. 2011 hat Eisenack eine Veranstaltung bei Attac moderiert.

Der Gutwetter-Verlag beschreibt das eigene Geschäftsmodell deutlich: „Die Mitarbeiterinnen der Gutwetter-Kommunikationsabteilung haben Erfahrung bei der Aufbereitung und Vermittlung von Informationen aus Politik und Wissenschaft“, heißt es dort gendergerecht. Zu den PR-Kunden des Verlages gehören der BUND, Campact und die Friedrich-Ebert-Stiftung. Insofern ist die Selbstdefinition der vielgelesenen Netzseite klimaretter.info als „unabhängiges Onlinemagazin“ fragwürdig. Treffender wäre wohl „PR-Agentur für grüne Themen“.

Und siehe da: Wärmedämmung wird auf klimaretter.info in den höchsten Tönen gelobt. So meldete die Seite im Februar unter der Überschrift „Wärmedämmung – besser als ihr Ruf“, die meisten Bedenken seien ungeründet. Im April dann dies: Durch bessere Wärmedämmung könnte doppelt soviel Energie eingespart werden wie alle deutschen Atommeiler zusammen produzieren. Im Mai berichtete klimaretter.info, deutsche Firmen könnten 750 Millionen mehr verdienen – durch Wärmedämmung. Marco Eisenack weist den Eindruck, die Netzseite betreibe Reklame, übrigens zurück. Gegenüber der JF sagt er: „Klimaretter.info ist ein journalistisches Produkt, beide Unternehmensbereiche sind klar voneinander getrennt.“

Experte: „Alles ist erstunken und erlogen“

Für Konrad Fischer hingegen sind die meisten Informationen aus dem Netz Schwindel. Der fränkische Architekt und Dämmstoffkritiker warnt vor jeder Klimaschutzreklame: „Alles ist erstunken und erlogen. Die versprochenen Einsparungen stellen sich fast nie ein. Sie stehen nur auf dem Papier.“ Politiker, die bis zu 80 Prozent und mehr Einsparungen versprächen, seien Scharlatane, so Fischer weiter zur JF. Der ganze Klimawandel fände auf Kosten der Armen statt.

Foto: Eigenheim mit Kälteschutz: Eine Gebäudesanierung ist nicht immer so sinnvoll, wie es die Industrie verspricht

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