© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/14 / 07. November 2014

Blick in die Medien
Von der DKP zur „FTD“
Tobias Dahlbrügge

Lucas Zeise war zwanzig Jahre lang Ressortleiter für den Kapitalmarkt bei der Börsen-Zeitung und der Financial Times Deutschland. Gleichzeitig war er seit 1973 Mitglied der DKP. Über sein Doppelleben als überzeugter Kommunist bei einem kapitalistischen Blatt gab er dem Magazin Wirtschaftsjournalist ein bemerkenswertes Interview.

Für den roten Redakteur steht sein Handeln nicht im Widerspruch zur marxistischen Lehre. Schließlich, sagt er, war Marx ja selber Ökonom. Natürlich kritisiere er den Kapitalismus, der „dem Untergang geweiht“ sei, aber eben darum habe er sein Wesen verstehen wollen. Um den Feind zu studieren also.

Das habe er natürlich nicht frei bekennen können, er habe sich eben verstellt. Nur kaum eine Handvoll Kollegen war eingeweiht. Die Genossen dagegen hatten keine Probleme mit Zeises Doppelrolle. Seine Erklärung: Kommunisten seien es gewohnt, in der Konspiration zu leben. Da er als ausgesprochen unwahrscheinlich annehmen durfte, daß ein FTD-Herausgeber bei einer DKP-Veranstaltung auftauchen würde, konnte Zeise ohne Sorge seine Parteiabende besuchen.

Er wäre lieber Lehrer geworden, aber wegen der „Berufsverbote“ orientierte er sich um.

Im nachhinein lobt der Kommunist die freie Debattenkultur seiner Zeitung: Er habe in Redaktionskonferenzen immer seine Meinung sagen können und in seinen Beiträgen stets Klartext geschrieben. Daß er mit seiner Arbeit vom verhaßten System profitiert und es auch unterstützt habe, bereut er nicht. Das, so Zeise, sei ja automatisch immer so, wenn man irgendwo arbeitet.

Dennoch blicke er auf ein glückliches Berufsleben zurück. Im übrigen wäre er viel lieber Lehrer geworden, aber durch die „Berufsverbote“ der Siebziger Jahre hätte er sich umorientieren müssen. Auch die Westdeutsche Landesbank hatte eine Bewerbung abgelehnt.

2007 ging Zeise in Rente, 2012 stellte die FTD das Erscheinen ein. Heute schreibt Zeise als roter Rentner für die Marxistischen Blätter, die Theorie-Zeitschrift der DKP – allerdings gibt es darin kein Finanzmarkt-Ressort.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen