© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/14 / 07. November 2014

Ein wahrlich unnötiger Krieg
Diplomatiegeschichte vor dem Ersten Weltkrieg
Manfred Backerra

War denn noch ein Buch zu 1914 nötig? Dieses sehr wohl, denn der ausgewiesene Diplomatie-Historiker Post nennt bereits in der detaillierten Gliederung die Mosaik- und Stolpersteine auf dem Weg zum Krieg. Längere Zitate versetzen den Leser ins Denken der Zeit und der politisch Verantwortlichen. Dabei verblüfft Kaiser Wilhelm II. oft durch seine realistische, auf Konfliktvermeidung ausgerichtete Lagebeurteilung – im Gegensatz zu seinen Staatssekretären.

Die knappe, fesselnde Schilderung der Ereignisse, politischer Krisen, Aufregungen legen die meist vernünftigen Gründe bestimmter Handlungen dar, die erst wegen der negativen Folgen in der Reflexion als Fehler erscheinen. Post schildert, wie vor dem Hintergrund einer europäischen Diplomatie, die bis kurz vor dem Krieg alle Krisen und Verstimmungen meist in gutem Einvernehmen löste, sich zwei Bündnisgruppen gebildet hatten: der defensive Zweibund Deutschland-Österreich 1879, ergänzt um Italien zum Dreibund, und die Triple Entente England-Frankreich-Rußland. Diese erwuchs aus einer defensiven Militärkonvention Frankreich-Rußland 1894, der englisch-französischen Entente Cordiale 1904 und der englisch-russischen Entente 1907, beide zur Verständigung über koloniale Interessen. Die zunächst nicht gegen Deutschland gerichteten Verträge entwickelten – gefördert von wenigen Germanophoben im Foreign Office und der französischen Revanchelust – über Planungen für einen Krieg gegen Deutschland solch starke Bindungen, daß sie auch England in den Krieg zwangen.

Er war Folge der russischen Mobilmachung: Ihr mußte wegen der Zweifrontenlage und der erheblichen Unterlegenheit Deutschlands binnen 48 Stunden dessen Angriff auf Frankreich folgen. Kaiser und Zar hatten in letzter Minute noch eine Lösung gefunden, doch sie scheiterte an Kommunikationsfehlern. Wenn auch, außer Deutschland, alle Mächte Kriegsziele hatten, so waren sie trotz des chauvinistischen Getöses für den Ausbruch des Krieges nicht entscheidend, auch nicht wirtschaftliche Gründe oder eine Verschwörung gegen Deutschland. Der Krieg war „das Resultat eines Versagens der europäischen Krisendiplomatie – und damit ein unnötiger Krieg“.

Walter Post: 1914 – Der unnötige Krieg. Druffel & Vowinckel, Gilching 2014, gebunden, 400 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro

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