© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/14 / 07. November 2014

Umwelt
Nukleare Renaissance
Heiko Urbanzyk

Die geschmolzenen Brennstäbe des AKW Fukushima Daiichi strahlen noch immer. Niemand weiß, wie es im Innern des Meilers aussieht. Zehntausende Japaner aus der Umgebung des havarierten AKW können noch immer nicht zurück in ihre Heimat. Trotzdem: Dreieinhalb Jahre nach dem GAU von Fukushima erlebt Japan eine nukleare Renaissance. Nachdem zunächst alle Kernkraftwerke des Landes heruntergefahren wurden, stehen das Wiederhochfahren und der Neubau von weiteren AKW kurz bevor.

Die japanische Regierung forciert ihren Atomstromkurs gegen die Wählermehrheit.

Zwei Meiler haben die neuen Sicherheitstests bereits bestanden; 18 weitere Tests sind beantragt. Der Ausstieg aus dem Atomausstieg ist beschlossene Sache. Die japanische Regierung um Premier Shinzo Abe forciert ihren Atomstromkurs gegen den Willen der Wählermehrheit. Der Wirtschaft ist die atomfreie Energieversorgung zu teuer. 90 Prozent der Energie werden seit Fukushima importiert: in Form von Gas und Kohle, die verstromt werden. In drei Jahren stieg der Strompreis in Japan um 25 Prozent. Dagegen nimmt sich die Strompreissteigerung in Deutschland seit der Energiewende 2011 äußerst bescheiden aus.

Ein pikantes Detail wirft Fragen in der Diskussion auf: Japans Wirtschaft wuchs etwa 20 Jahre kaum. Erstmals im Jahr 2013 war Licht am Tunnelausgang zu erblicken – ohne Atomstrom. Doch nun sollen die Meiler wieder ans Netz, um genau dieses ohne sie entstandene Wachstum zu sichern?

Reibungspunkte ergeben sich im Streit um umweltfreundliche Stromerzeugung. Ausgerechnet der Weltklimarat empfiehlt jüngst, die seiner Meinung nach menschengemachte Erderwärmung durch eine Mischung aus Erneuerbaren und Atomstrom zu verringern. Das Argument des CO2-Ausstoßes und die Forschungen des Weltklimarates bemühten bisher vor allem die Gegner der Atomindustrie. Nun dreht ihr Stichwortgeber vom Klima­rat den Spieß um.

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